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Bahnlärm im Mittelrheintal: Leisere Güterzüge, aber Daten deuten auf Probleme

Züge im Mittelrheintal. (Foto: Piel media)

Ab 13. Dezem­ber sind lau­te Güter­zü­ge in Deutsch­land ver­bo­ten – und auch im beson­ders vom Bahn­lärm geplag­ten Mit­tel­rhein­tal soll es dann lei­ser wer­den. Laut dem jüngst vor­ge­stell­ten Lärm­schutz­be­richt der Deut­schen Bahn sol­len für ins­ge­samt 35 Ein­zel­pro­jek­te 130 Mil­lio­nen Euro in Lärm­schutz­maß­nah­men inves­tiert wer­den. Doch deu­ten Mess­da­ten auf Pro­ble­me beim Hal­bie­ren der Lautstärke.

Züge im Mittelrheintal. (Foto: Piel media)
Züge im Mit­tel­rhein­tal. (Foto: Piel media)

Das Mit­tel­rhein­tal nimmt in dem elf­sei­ti­gen Lärm­schutz­be­richt der Bahn einen gro­ßen Raum ein. Das Tal wird als „Brenn­punkt“ bezeich­net (neben dem Elb­tal und dem Inn­tal). 2019 sind auf 40 Gleis­ki­lo­me­tern Stre­cke soge­nann­te Schie­nen­steg­dämp­fer ein­ge­baut wor­den. „Das dämpft die Schwin­gun­gen der Schie­ne, die bei der Über­fahrt durch den Zug ent­ste­hen“, heißt es in die­sem Bericht. Es fol­gen auf bis zu 20 Kilo­me­tern Län­ge Schall­schutz­wän­de. „Ent­las­tet wer­den Anwoh­ner in der Welt­kul­tur­er­be-Regi­on des Obe­ren Mit­tel­rhein­tals zwi­schen Koblenz/​Lahnstein und Bingen/​Rüdesheim sowie in den Orten Wei­ßen­thurm, Leu­tes­dorf, Oestrich-Win­kel und Eltville.“

In sei­nem Bau-Info-Por­tal nennt das Unter­neh­men kon­kre­te­re Plä­ne. So sol­len ab 2021 wei­te­re Schall­schutz­wän­de kommen:

  • Kaub: 250 Meter Niedrigschallschutzwand
  • Brau­bach: 40 Meter Schall­schutz­wand mit zwei Metern Höhe

Vor­aus­sicht­lich ab 2023 folgen:

  • Lahn­stein: Neun Schall­schutz­wän­de auf einer Län­ge von 3,5 Kilo­me­ter sowie mit einer Höhe von zwei bezie­hungs­wei­se drei Metern
  • Oestrich: vier Schall­schutz­wän­de mit 2,5 Metern Höhe und einer Gesamt­län­ge von cir­ca 350 Metern
  • Erbach: 200 Meter Schall­schutz­wand mit zwei Metern Höhe
  • Hat­ten­heim: 700 Meter Schall­schutz­wand mit zwei Metern Höhe
  • Kamp-Born­ho­fen: 300 Meter Schall­schutz­wand mit zwei Metern Höhe
  • Bop­pard: zwei Schall­schutz­wän­de mit zwei Metern Höhe und einer Gesamt­län­ge von etwa einem Kilometer
  • Filsen: fünf Schall­schutz­wän­de mit zwei Metern Höhe und einer Gesamt­län­ge von ca. 1,5 Kilometern
  • Koblenz: fünf Kilo­me­ter Schall­schutz­wän­de mit zwei Metern Höhe
  • Leu­tes­dorf: drei Schall­schutz­wän­de mit einer Höhe von zwei Metern und einer Gesamt­län­ge von ca. 1,5 Kilometern
  • Kes­tert: drei Schall­schutz­wän­de mit zwei Metern Höhe und einer Gesamt­län­ge von ca. 450 Metern
  • St. Goar­shau­sen: vier Schall­schutz­wän­de mit zwei Metern Höhe und einer Gesamt­län­ge von ca. 900 Metern
  • Rüdes­heim: 750 Meter Minil­ärm­schutz­wand und etwa 650 Meter Schall­schutz­wand mit 2 Metern Höhe

Vor­aus­sicht­lich ab 2024:

  • Brey: 700 Meter Schall­schutz­wand mit 2 Metern Höhe
  • Wei­ßen­thurm: 1,8 Kilo­me­ter Schall­schutz­wand mit zwei Metern Höhe

Vor­aus­sicht­lich ab 2025:

  • Trech­tin­gs­hau­sen: 300 Meter Nied­rig­schall­schutz­wand sowie etwa 200 Meter Schall­schutz­wand mit zwei Metern Höhe.

Fast ein Viertel der Gelder ungenutzt

Mit ihren Lärm­schutz­maß­nah­men blieb die Deut­sche Bahn aller­dings bis­her unter ihren Mög­lich­kei­ten. Wie aus einer Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung (PDF, 20 Sei­ten, 0,4 MB) auf eine Klei­ne Anfra­ge von Bünd­nis 90/​Die Grü­nen her­vor­geht, waren in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren für die Lärm­sa­nie­rung bun­des­weit zwar 476 Mil­lio­nen Euro vor­ge­se­hen. Abge­ru­fen hat die Bahn aber nur 376.602.177,45 Euro – fast ein Vier­tel der Mit­tel blie­ben ungenutzt.

Inzwi­schen ver­fü­gen laut Bun­des­re­gie­rung (Stand: 1. April) 87 Pro­zent der 183.000 Güter­wa­gen in Deutsch­land über lei­se­re Brems­soh­len. Der Umrüs­tungs­stand soll bis zum Wirk­sam­wer­den eines Pas­sus im Schie­nen­lärm­schutz­ge­setz ab 13. Dezem­ber 2020 „wei­ter stei­gen“. Streng­ge­nom­men dür­fen lau­te Güter­wa­gen dann nicht mehr fah­ren – wie auch das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um betont: „Ab dem Fahr­plan­wech­sel 2020/​2021 [dür­fen] kei­ne lau­ten Güter­zü­ge mehr das deut­sche Schie­nen­netz befahren.“

Doch es gibt Aus­nah­men. Laut Regie­rungs­ant­wort auf die Klei­ne Anfra­ge wird „nur noch ein gerin­ger Anteil von lau­ten Güter­wa­gen“ von Aus­nah­me- und Befrei­ungs­re­geln Gebrauch machen. So sol­len durch die „Zuwei­sung von Schie­nen­weg­kap­zi­tät“ und durch gerin­ge­re Geschwin­dig­kei­ten der Güter­zü­ge die Kon­flik­te zu lösen sein. Bei „gering“ aus­ge­las­te­ten Schie­nen­we­gen erge­ben sich durch die gerin­ge­re Geschwin­dig­keit eines Zuges kei­ne Kapa­zi­täts­pro­ble­me. Was das für die alles ande­re als „gering“ belas­te­ten Schie­nen­we­ge im Mit­tel­rhein­tal bedeu­tet, beant­wor­tet die Bun­des­re­gie­rung in dem Papier nicht.

Ab Dezember sind laute Güterzüge nicht mehr erlaubt. Aber es gibt Ausnahmen. (Foto: Piel media)
Ab Dezem­ber sind lau­te Güter­zü­ge nicht mehr erlaubt. Aber es gibt Aus­nah­men. (Foto: Piel media)

Züge müssen um „die Hälfte“ leiser werden

Das Ziel, den Lärm bis zum Fahr­plan­wech­sel im Dezem­ber 2020 um „die Hälf­te“ im Ver­gleich zum Jahr 2000 zu redu­zie­ren, will die Deut­sche Bahn laut Lärm­schutz­be­richt ein­hal­ten. Im Mit­tel soll der Schie­nen­ver­kehrs­lärm dabei um 10 Dezi­bel redu­ziert wer­den, was in der mensch­li­chen Wahr­neh­mung einer Hal­bie­rung ent­spricht. Ob dies gelingt, lässt sich in Gra­fi­ken der Bahn able­sen: In Bad Sal­zig und in Oster­spai misst das Unter­neh­men seit 2014 jeden Tag die Laut­stär­ke und die Zahl der durch­fah­ren­den Züge. 

Ein lei­ser Trend ist dar­an sicht­bar: So lag im März 2015 der soge­nann­te Mit­te­lungs­pe­gel in Bad Sal­zig am Tag bei 60,5 und in der Nacht bei 63 db(A). Im März 2020 betru­gen die­se Wer­te weni­ger: 57,2 am Tag und 60,9 in der Nacht. In Oster­spai gin­gen die­se Wer­te von 64,5 auf 60,3 am Tag und von 67,3 auf 62,4 db(A) zurück. Ver­min­de­run­gen um 10 db(A) sind das noch nicht.

Auch das Land Rhein­land-Pfalz nimmt sol­che Mes­sun­gen vor. In Ober­we­sel maß das Lan­des­amt für Umwelt im März 2020 einen Monats­mit­tel­wert von 70 db(A) am Tag und 72,2 in der Nacht. Fünf Jah­re zuvor betru­gen die­se Wer­te 70,5 db(A) am Tag und 71,7 in der Nacht – somit ergibt sich hier kaum eine Verbesserung.

Zudem berich­tet das auf Zug­ve­schleiß­ana­ly­sen spe­zia­li­sier­te Unter­neh­men Rail­watch aus Bonn, dass mehr als 60 Pro­zent der Züge im Mit­tel­rhein­tal nicht rund lau­fen. Bei Mes­sun­gen mit drei Mess­sta­tio­nen in Brühl-Lüt­zing, Rheinb­rohl und Koblenz-Ehren­breit­stein wur­den bei den erfass­ten Güter­zü­gen soge­nann­te Flach­stel­len fest­ge­stellt. Das sind Rad­un­rund­hei­ten. Sie wer­den als rum­peln­de Güter­wa­gen oder als Schlä­ge auf die Schie­ne wahr­ge­nom­men. Pro Zug hät­ten sich im Schnitt vier Ach­sen mit Flach­stel­len gefun­den, teil­te Rail­watch mit. Das Unter­neh­men baut Mess­sta­tio­nen und scannt Züge beim Vor­bei­fah­ren. Das 2015 gegrün­de­te Start­up ver­kauft die gesam­mel­ten Daten an Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men, etwa den Schie­nen­lo­gis­ti­ker VTG.

Neubaustrecke in weiter Ferne

Ein viel grö­ße­res Vor­ha­ben kommt indes nur lang­sam vor­an: eine Alter­na­tiv­stre­cke, die den Rhein­gau und das gesam­te Mit­tel­rhein­tal vom Schien­gü­ter­ver­kehr ent­las­ten soll. Die Neu­bau­stre­cke Troisdorf–Mainz-Bischofsheim mit Ver­bin­dungs­kur­ven nach Koblenz ist im Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan nicht in den vor­dring­li­chen Bedarf auf­ge­nom­men. „Das Vor­ha­ben erlangt erst nach deut­li­cher Stei­ge­rung der trans­por­tier­ten Güter­men­ge die Schwel­le der gesamt­wirt­schaft­li­chen Ren­ta­bi­li­tät“, heißt es in einer Erläu­te­rung zu dem Plan. 7,7 Mil­li­ar­den Euro Bau­kos­ten wer­den für das Vor­ha­ben angenommen.

Damit sich das Vor­ha­ben gesamt­wirt­schaft­lich rech­net, bedarf es einer Ver­dopp­lung der vom Lkw auf die Schie­nen ver­la­ger­ten zusätz­li­chen Ver­kehrs­men­gen. Das geht aus einer wei­te­ren Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der Grü­nen aus 2019 hervor.

Den­noch soll­te unab­hän­gig von der gesamt­wirt­schaft­li­chen Bewer­tung der zeit­na­he Beginn einer Mach­bar­keits­stu­die in Betracht gezo­gen wer­den, heißt es in der Bewer­tung des Vor­ha­bens wei­ter. Die Stu­die rückt nun näher – aller­dings mit einem Pro­gno­se­ho­ri­zont bis 2050, wie Ver­kehrs­mi­nis­ter Scheu­er bereits vor einem Jahr dem Neu­wie­der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Erwin Rüd­del mit­teil­te. Sei­ner­zeit hat­te Scheu­er auch mit Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Drey­er über einen Beginn der Aus­schrei­bung für die Stu­die im ver­gan­ge­nen Som­mer gespro­chen. Den Text für die Aus­schrei­bung der Stu­die habe der Bund nun mit den Län­dern Hes­sen, Rhein­land-Pfalz und Nord­rhein-West­fa­len abge­stimmt, teil­te die hes­si­sche Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Petra Mül­ler mit. Der Auf­trag soll dem­nach im Herbst ver­ge­ben wer­den, Ergeb­nis­se sol­len bis 2021 vorliegen. 

Veröffentlicht unter EA-Newsletter, Kommunales Wissen, News, Vor Ort

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