Gegenüber der breiten Front der Simultankirche in Kaub, in Sichtweite zum Marktplatz mit Brunnen, dem breiten Haus der Apotheke und der Bäckerei, zieht ein dunkelrot leuchtendes schmales Haus mit diagonal gestreiften Fensterläden die Blicke auf sich. Das helle Haus daneben fällt dagegen erst beim Näherkommen auf, denn es versteckt sich hinter zwei schweren Kanonen und einem Ehrenmal mit Adler am Linden bestandenen Platz.
Von der Außenwand des rechten Hauses schaut ein steinerner Kopf auf die Passanten hinunter: Ein Fundstück, welches der heutige Eigentümer als 12-Jähriger im Patersberger Weinberg bei St. Goarshausen fand und mit nach Hause nahm. Bevor dieser gut gehütete Schatz viele Jahre später Teil des umgestalteten Historischen Schifferhauses in Kaub wurde, zierte er den Schreibtisch des Jungen und veranlasste ihn zu weiteren Recherchen.
Die Feder am Hut wies den in Stein gemeißelten Menschen als Wandersmann aus und die konische Form der Rückseite, die heute in der Wand des sanierten Schifferhauses verborgen ist, ließ darauf schließen, dass es sich um den Abschlussstein aus dem Tor eines Barockhauses handelte. Die Geschichte der Spolie erzählt bereits viel über den heutigen Eigentümer und Vermieter des Historischen Schifferhauses: den Landschaftsarchitekten und Umweltingenieur Dirk Melzer. Denn ohne den unbedingten Willen, ein passendes Haus in Kaub zu finden, und den kreativen Impuls zur Sanierung und individuellen Gestaltung, wären die unterschiedlichen historischen Schichtungen, die das heutige Bild des Gebäudeensembles prägen, vermutlich nie zum Vorschein gekommen.
Da auf den üblichen Immobilienplattformen nichts zu finden war, was Dirk Melzers Vorstellungen entsprach, schaute er nach Leerständen, schrieb auf, wo er was fand und kontaktierte den Bürgermeister von Kaub. Dieser vermittelte ihn an Hilde Kirdorf, Kapitänstochter und Witwe eines Lotsen, deren Elternhaus am Markt leer stand. Zunächst mietete Dirk Melzer das Haus und begann sich den Ursprüngen und vielen Schichten unterschiedlicher Jahrzehnte und Bewohner zu widmen: von den Jugendstilfenstern und Läden, dem Zementplattenboden im Eingang, der heute moosgrün lackierten alten Treppe, der orange- gelben Blümchentapete auf Sperrholz, hinter der eine massive Wand mit Lehmputz auf Schilf zum Vorschein kam, bis zur fleischfarbenen Lambris, einer hüfthohen Holzverkleidung in der Küche.
Durch die Bewahrung der Schichten des Alten, die Überlagerung von Materialien und Farben sowie das eklektizistische Miteinander von Einrichtungsgegenständen, Fund- und Sammelstücken, entstand ein Wohn- und Ferienhaus, welches das Gestern und Heute verbindet: Ein Fenster in die Geschichte gepaart mit zeitgenössischer Kunst und viel Liebe zum Detail!
- Dieser Beitrag ist Teil der Publikationsreihe „Wir sind Heimat 2.0“ und erschien zuerst bei der Stiftung Baukultur Rheinland-Pfalz.