In einem Land mit mehr als 2.000 ehrenamtlich geführten Kommunen steht die Landesregierung in einer dauerhaften Verantwortung, größere Veränderungen auch für ehrenamtliche Akteure nutzbar zu machen. In Modellprojekten testen wir diese als neue Werkzeuge auf kommunaler oder regionaler Ebene. Die Erfahrungen und das Wissen, das wir dabei sammeln, geben wir auch weiter.
Transformation
Die digitale Transformation als Megatrend ist ein maßgeblicher Faktor für gesellschaftliche Veränderungen. Wenn man sich anschaut, was unter digitaler Transformation im Allgemeinen verstanden wird, dann geht es um Vernetzung. Vernetzung von Daten, Menschen, Geräten, jeweils untereinander, aber auch miteinander. Die Vernetzung bringt neue Werkzeuge mit sich, die von Kommunen genutzt werden können, um das Leben vor Ort einfacher zu machen.
Die Info, dass der Müll diese Woche am Dienstag und nicht am Mittwoch abgeholt wird, muss nicht mehr dem Amtsblatt entnommen werden, sondern kann per Push-Nachricht direkt auf dem Smartphone der Bürgerinnen und Bürger landen. Der Plan der neuen Sporthalle liegt nicht mehr nur zweidimensional auf Papier in der Verwaltung zur Einsicht aus, sondern die Halle kann online als dreidimensionales Modell von allen Seiten betrachtet werden.
Gleichzeitig wirkt sich die digitale Transformation auch erheblich auf das kommunale Leben aus.
Zu Beginn noch ein Hinweis: In unseren Projekten geht es nicht um die digitale Verwaltung einer Kommune. OZG und andere Ansätze sind da sehr klar und verbindlich. Unsere Projekte verbinden wissenschaftliche Erkenntnisse mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Ansätzen und modellieren dazu Alltagsangebote.
Schnell, unmittelbar, direkt und umtauschbar
Die Bürgerinnen und Bürger sind von Amazon, Google, Netflix, Tripadvisor und Co. gewohnt, Dinge schnell zu erledigen.
Wenn ich zum Beispiel ein Hotel buche, sehe ich online, welche Ausstattung das Zimmer hat und ob es in meinem Wunschzeitraum noch verfügbar ist. Ich kann es direkt buchen und bezahle dann gleich per Kreditkarte oder Bankeinzug. Versuche ich, das Dorfgemeinschaftshaus für eine Familienfeier zu buchen, sieht das komplizierter aus: Wieso muss ich erst einmal beim Ortsbürgermeister oder der Verwaltung anrufen und fragen, ob es an dem Tag frei ist und wie es ausgestattet ist? Anschließend bekomme ich einen Mietvertrag per Post zugeschickt, den ich unterschreiben und per Post zurücksenden muss. Nach dem Fest bekomme ich von der kommunalen Kasse per Post noch eine Rechnung über die Mietkosten, die ich dann überweisen muss.
Von den Online-Plattformen sind wir einfache, vernetzte und schnelle Lösungen gewohnt. Und entsprechend erwarten wir das auch von unserer Gemeinde oder Stadt.
Transparenz
Wir erwarten auch mehr Transparenz. Wenn ich online eine Ware bestelle, kann ich sie auf dem Smartphone in Echtzeit verfolgen, wann sie verpackt wurde, wann sie bei der Post war, wo der Paketlieferant gerade ist und wann er das Paket voraussichtlich bei mir abliefert.
Bei vielen kommunalen Digitalangeboten ist da noch viel Luft nach oben. Was das Für und Wider im Rat zum neuen Baugebiet war, wann die Schaukel auf dem Spielplatz das letzte Mal gewartet wurde oder wie der Bearbeitungsstand meiner Gewerbeanmeldung ist … all diese Punkte sind schwerer herauszufinden.
Medien und Digitalangebote verändern das Verhalten
Gleichzeitig verändert sich unser Verhalten. Fußballverein und Freiwillige Feuerwehr sind nicht mehr die einzigen Freizeitmöglichkeiten im Dorf. Netflix oder auch die Mountainbike-Tour mit Action-Cam auf dem Helm konkurrieren als Freizeit-Angebote mit den althergebrachten.
Kommunales und ehrenamtliches Engagement erweitert sich
Wenn ich ein bestimmtes Projekt in meiner Kommune umsetzen will, trete ich auch nicht mehr unbedingt einer der Parteien im Rat bei, bei der meine Idee eine von vielen ist. Ich suche mir stattdessen online Gleichgesinnte für genau dieses eine Projekt. Und wenn es umgesetzt ist, beende ich mein Engagement oder suche mir ein neues Projekt. Ich bleibe aber nicht in einem Verein oder einer Partei, in der ich mich mit anderen Themen beschäftigen muss oder in denen ich regelmäßig in die Organisation eingebunden bin.
Wir agieren also individueller und volatiler.
Das sind jetzt nur die Herausforderungen für Kommunen durch die digitale Transformation. Dazu kommen natürlich noch die bekannten Herausforderungen wie demografischer Wandel oder Klimawandel.
Gleichzeitig eröffnet die digitale Transformation aber auch Chancen, diese Herausforderungen zumindest zum Teil zu lösen.
Kommunales Leben braucht Kommunikation und digitale Infrastruktur
Täglich sind wir fast 4 Stunden online. In dieser Zeit sind wir erreichbar, können miteinander kommunizieren und interagieren. Wir sind also miteinander vernetzt – und das auch über Entfernungen hinweg.
Damit wird eine der wichtigsten Aufgaben der Kommune, die Kommunikation und Information der Bürgerinnen und Bürger, einfacher, schneller und direkter ermöglicht.
Eine weitere wichtige Aufgabe ist der Unterhalt der kommunalen Einrichtungen. Durch Sensoren lassen sich diese Tätigkeiten zielgenauer und damit effizienter erledigen und die zumeist teure Infrastruktur – das Anlagevermögen der Kommunen – besser überwachen.
Strategische Planung der kommunalen Zukunft und Szenarien
Eine dritte Aufgabe, die strategische und konzeptionelle Planung, also die Gestaltung der Zukunft der Kommune, wird ebenfalls einfacher. Daten, Sensoren und auch künstliche Intelligenz erlauben genauere Voraussagen, können miteinander verbunden werden und ermöglichen fundiertere Pläne, wie es in der Kommune weitergehen kann: Müssen wir die Kita vielleicht so planen, dass sie in 15 Jahren auch als Tagesbetreuung für Pflegebedürftige genutzt werden kann? Wie groß sollte die Kläranlage dimensioniert sein und wo sollte sie liegen, um mit Starkregen umgehen zu können?
Die digitale Transformation bietet also Chancen für die Erledigung der bisherigen kommunalen Aufgaben. Aber sie bietet auch Chancen darüber hinaus:
Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern über das gesetzliche Maß hinaus
Online-Beteiligung und technisch interessante Projekte können neue Gruppen für das kommunale Leben aktivieren.
Fernarbeit, Home-Office und Coworking Space können dafür sorgen, dass in unseren Gemeinden auch während der Arbeitszeit Leben herrscht und nicht nur nach Feierabend. Dörfer erhalten so ein Stück weit die Funktion als Arbeitsort zurück.
Gleichzeitig ermöglicht die digitale Transformation den Kommunen, neue Dienste anzubieten, um ihre Attraktivität zu erhalten oder auch zu steigern: Von Carsharing-Angeboten über WLAN-Hotspots und smarte Parkplatz-Reservierungen bis zu Makerspaces und Apps zur datensicheren Kommunikation wie dem DorfFunk.
Die digitale Transformation macht Technik auch für kleine Kommunen einfacher verfügbar und ermöglicht so neue Wege, die Attraktivität der Kommune zu steigern.
Die Entwicklungsagentur führt dazu mehrere Projekte durch, um die rheinland-pfälzischen Kommunen bei der Bewältigung der Herausforderungen und der Nutzung der Chancen der digitalen Transformation zu unterstützen.
Wie angesprochen beschäftigt sich die Entwicklungsagentur mit der Analyse von Trends, neuen Technologien und Erkenntnissen der Wissenschaft sowie ihren Auswirkungen auf Kommunen.
KI-Studien
Als eine der zukunftsträchtigsten Technologien gilt die Künstliche Intelligenz.
Um die Auswirkungen von Systemen künstlicher Intelligenz auf das kommunale Leben zu betrachten, hat die Entwicklungsagentur 2019 bei der Technischen Universität Kaiserslautern, dem Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering, also dem Fraunhofer IESE, und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern zwei Studien in Auftrag gegeben. Ergebnis der ersten Studie war dabei einerseits eine Potenzial-Analyse der Bereiche Landwirtschaft, Gesundheit, Ehrenamt, Tourismus und Mobilität: Also welche Potenziale zur Veränderung entstehen in diesen Bereichen durch Künstliche Intelligenz? Andererseits wurden ein utopisches und ein dystopisches Szenario für das Jahr 2050 entwickelt, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.
2020 haben wir darauf aufbauend eine weitere Studie in Auftrag gegeben. Dafür wurde die kommunale Praxis in Mittelstädten, also Städten zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern, vor dem Hintergrund Künstlicher Intelligenz betrachtet. Zentrale Fragen waren dabei, wie Künstliche Intelligenz konkret genutzt werden kann und welche Ressourcen und Kompetenzen dafür benötigt werden.
In den Studien wird das große Potenzial von Künstlicher Intelligenz auch in kleineren kommunalen Einheiten aufgezeigt. Derzeit beschränken sich die Angebote auf dem Markt aber weitgehend auf den Anwendungsbereich der Großstädte. Gerade in den Bereichen Bürgerdienste und Kommunikation, verwaltungsinterne Prozessoptimierung oder der Unterhaltung von Infrastruktur gibt es entsprechende Angebote. Man kann heute davon ausgehen, dass diese KI-Systeme nach und nach auch auf die Bedürfnisse kleinerer Kommunen angepasst werden. Hier steht den ländlichen Kommunen also in einigen Jahren ein neuer Werkzeugkasten zur Verfügung, der dann genutzt werden will.
Beide Studien stehen auf der Webseite der Entwicklungsagentur kostenlos zum Download zur Verfügung.
Solche perspektivischen Entwicklungen brauchen eine strategische Herangehensweise und das passende Personal. Das ist gerade in kleinen Kommunen eine große Herausforderung.
Digital-Werkstätten
Unser Projekt „Digital-Werkstatt – Kommunale Digitalstrategie“ setzt hier an. Die Digital-Werkstätten sind Workshops für die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden und verbandsfreien Städte und Gemeinden. Innerhalb der eintägigen Digital-Werkstätten geht es um die Entwicklung einer ersten Skizze einer kommunalen Digitalstrategie. Um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei dieser Arbeit Anregungen zu geben und für ein gemeinsames Basiswissen über die digitale Transformation zu sorgen, haben wir über 40 Beispiele für digitale Projekte zusammengestellt. Die Beispiele reichen von bekannteren Ansätzen wie WLAN-Hotspots über die oben erwähnte Verwendung von 3D-Modellen bei der Dorfentwicklung bis zu chipgesteuerten Fitnessstudios, um auch die älteren Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner fit zu halten. Beispiele dafür finden sich in Sarmersbach in der Eifel oder in Mannebach im Kreis Trier-Saarburg.
2018 haben wir das Projekt gemeinsam mit der Kommunal-Akademie Rheinland-Pfalz, der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Mayen, dem Fraunhofer IESE und der Hochschule Kaiserslautern gestartet. Seitdem fanden Digital-Werkstätten mit rund einem Drittel unserer Verbandsgemeinden statt. Das Projekt wird noch einige Zeit weitergehen.
Kommunale Digitalbeauftragte
Eine Erkenntnis aus den Digital-Werkstätten war, dass es in den Kommunen Verantwortliche braucht, die diese Digitalstrategie weiter ausarbeiten und umsetzen. In einigen großen Städten hat man dafür schon vor einigen Jahren die Position des sogenannten CDOs geschaffen, des Chief Digital Officers. Aber auch in einigen Verbandsgemeinden und Mittelstädten wurden hier entsprechende Digitalbeauftragte ernannt.
Das Problem dabei ist, dass es für diese Rolle keine feste Stellenbeschreibung oder gar Ausbildung gibt. Vielmehr wird eine Vielzahl von Kompetenzen benötigt, um diese Rolle zu füllen. Das geht von allgemeinem Wissen über Megatrends, technische Entwicklungen und E-Government über Kenntnisse in den Bereichen Change-Management und Prozessmanagement bis zu Erfahrungen im Organisationsmanagement und Projektmanagement. Zusammen mit der Kommunal-Akademie Rheinland-Pfalz, den kommunalen Spitzenverbänden und der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Mayen haben wir daher 2020 die Qualifizierung „Kommunale Digitalbeauftragte“ auf den Weg gebracht. Diese vermittelt in 11 Tagen genau dieses Wissen. Mittlerweile fanden 5 Durchläufe dieser Fortbildung statt. Über 50 Kommunale Digitalbeauftragte sind so bereits fortgebildet worden. In diesem Jahr werden wahrscheinlich 20 weitere Damen und Herren ausgebildet werden können.
Seminare Digitale Kommune
Ergänzend dazu bietet die Entwicklungsagentur im Rahmen der Fortbildungen der Kommunal-Akademie Rheinland-Pfalz Seminare zum digitalen Wandel in den kleinen Ortsgemeinden an.
Diese Kommunen stehen im Gegensatz zu den Kreisen und Verbandsgemeinden vor der weiteren Herausforderung, dass hier alles ehrenamtlich erfolgt. Die einzigen hauptamtlichen Kräfte in diesen Kommunen sind die Gemeindearbeiter, die das Dorfgemeinschaftshaus betreuen und sich um die Grünanlagen kümmern.
Trotzdem lassen sich auch hier digitale Projekte umsetzen, um die Lebensqualität in der Gemeinde zu steigern. In den Seminaren in der Kommunal-Akademie werden Beispiele für solche Projekte vorgestellt, wie diese angegangen werden können und worauf man dabei achten muss. Wir bieten diese Seminare in der Regel zweimal im Jahr an.
Hier geht es besonders um die ehrenamtliche kommunale politische Leitungsebene.
Die Weitergabe von wissenschaftlichen Erkenntnissen und von kuratierten Maßnahmen zur Gestaltung der digitalen Transformation ist wie gesagt die eine Hälfte unseres Aufgabenspektrums.
Die andere ist die Durchführung von Modellprojekten, um hier innovative Ideen zu testen und eigene Erkenntnisse zu gewinnen, um sie den Kommunen zur Verfügung zu stellen.
Unsere Modellprojekte beschäftigen sich dabei im Schwerpunkt mit dem Zusammenleben in den Kommunen. Vielleicht am deutlichsten wird dies im Projekt „Digitale Nachbarn“.
Digitale Nachbarn
Der Anlass für unsere Digitalen Nachbarn sind die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich durch den demografischen Wandel ergeben: Ein Problem dabei ist die Vereinsamung älterer Menschen, wenn die Kinder zum Beispiel aus dem ländlichen Bereich in die Ballungsräume ziehen. Die Digitalisierung bietet Chancen für zumeist hochbetagte Menschen, die keinen oder kaum Zugang zu digitalen Angeboten hatten oder haben.
Seit vier Jahren (2018) testen wir zusammen mit dem Fraunhofer IESE, dem Landesverband des Roten Kreuzes und dem Kreisverband des Roten Kreuzes Südwestpfalz kommerzielle, marktübliche, digitale Sprachassistenten als Mittel gegen Einsamkeit im Alter.
Dafür haben wir einer Gruppe von 15 Seniorinnen und Senioren im Stadtteil Zweibrücken-Ixheim/Breitwiesen solche Sprachassistenten – in unserem Fall Alexa von Amazon – zur Verfügung gestellt und den Umgang damit vermittelt. Daneben wurden auch eigene „Programmangebote“ getestet. Das örtliche Rote Kreuz hat dabei die Vor-Ort-Betreuung übernommen und das virtuelle Angebot um „analoge“ Treffen erweitert.
Wir haben das Projekt aufgrund der Pandemie bis Ende 2022 verlängert, einige Ergebnisse liegen aber bereits vor: Alexa & Co. können älteren Menschen dabei helfen, sich weniger einsam zu fühlen. Das liegt einerseits an der Möglichkeit von Videotelefonie und andererseits an dieser virtuellen Gesprächspartnerin. Das Feedback der Seniorinnen und Senioren ist sehr positiv.
Die Entwicklungsagentur hat das Modellprojekt ausgewertet: Auf der Internetseite www.digitale-nachbarn.de steht allen Interessierten ein kostenloser digitaler Werkzeugkasten zur Verfügung. Darin ist alles enthalten, was man bei der Umsetzung eines eigenen Projektes mit preiswertem Videotelefon und App-Angeboten braucht – vom interaktiven Kostenrechner über ein Technikhandbuch bis hin zu Musterflyern.
Dorf-Büros/Coworking-Spaces im ländlichen Raum
Das Projekt Dorf-Büros legt dagegen den Fokus auf den Teil der Bevölkerung, der noch im Berufsleben steht. Bereits seit fünf Jahren (2017) testen wir Coworking-Spaces im ländlichen Raum. Der erste Coworking-Space seiner Art war dabei der „Schreibtisch in Prüm“ in der Eifel. Zusammen mit der dortigen Verbandsgemeinde und dem Eifelkreis Bitburg-Prüm haben wir in einem Leerstand einen Coworking-Space eröffnet, also Räumlichkeiten mit mehreren Büros, in denen man dann einzelne Schreibtische als Arbeitsplatz buchen kann.
Die 4 Doppelbüros mit Internetanschluss und Drucker sind mittlerweile überwiegend ausgebucht. Daneben gibt es dort einen Besprechungsraum mit 8 Plätzen und eine Teeküche mit kleinem Aufenthaltsbereich.
Es zeigte sich, dass der Bedarf an flexiblen Arbeitsplätzen im ländlichen Raum vorhanden ist und wächst. Daraufhin haben wir gemeinsam mit dem MdI das erweiterte Modellprojekt Dorf-Büros RLP ins Leben gerufen. In drei Wettbewerbsrunden (2019, 2020, 2021) konnten Kommunen ihr Konzept für einen Coworking-Space einreichen. Die Konzepte wurden bewertet und dann die drei erfolgversprechendsten Konzepte von einer Fachjury ausgewählt. Die Kommunen werden die ersten drei Jahre finanziell unterstützt und verpflichten sich, das Dorf-Büro mindestens fünf Jahre zu betreiben – also drei finanziell unterstützte Jahre und zwei weitere Jahre im Eigenbetrieb. Neben der finanziellen Unterstützung erhalten die Kommunen eine umfassende fachliche Beratung, vergleichbar mit kommerziellen Start-ups.
Das Konzept der Coworking-Spaces ist für Kommunen in vielerlei Hinsicht interessant:
Mit einem Dorf-Büro bieten sie ihren Bürgerinnen und Bürgern eine professionelle Alternative zum Homeoffice. Gerade während der Coronapandemie hat sich ja gezeigt, dass Arbeiten am Küchentisch nicht immer optimal ist.
Gleichzeitig werden Arbeitsplätze zurück in den ländlichen Raum gebracht. Die Bürgerinnen und Bürger sind im Ort, kaufen vor Ort ein und nicht mehr auf dem Heimweg.
Die Menschen sparen sich die Zeit für das Pendeln. Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und auch Ehrenamt wird verbessert. Gleichzeitig sinkt der CO2-Ausstoß.
Ein Dorf-Büro kann auf lange Sicht zu einer Anlaufstelle für weitere Aktivitäten im Ort werden, zum Beispiel durch die Verbindung mit einem Café, einer Packstation oder dem Dorfgemeinschaftshaus.
Wie in jedem Projekt funktionieren die Dorf-Büros auch dann am besten, wenn es im Ort eine aktive Dorfgemeinschaft gibt. Gemeinsam mit dem Innenministerium waren wir also 2017 quasi „vor der Zeit“. Heute begleiten wir insgesamt acht Dorf-Büros und ihre Kommunen und gewinnen so Einblicke in die Faktoren, mit denen ein Dorf-Büro in einer Kommune funktionieren kann oder eben auch nicht.
Crowdfunding
Hinter unserem Projekt „Kommunales Crowdfunding“ stecken ebenfalls Fragen der Dorfgemeinschaft und des Zusammenlebens in der Kommune. Wenn der kommunale Haushalt angespannt ist, werden zunächst die freiwilligen Aufgaben oder kleinere Projekte gestrichen. Als Steuerzahler erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass die öffentliche Hand ihren Aufgaben nachkommt – egal, ob freiwillige oder Pflichtaufgaben. Ist das auf Dauer nicht der Fall, können die Zufriedenheit mit der Verwaltung und die politische Unterstützung sinken.
Crowdfunding könnte eine Möglichkeit zur Finanzierung von Projekten in Kommunen sein. Dabei werden Projektideen oder andere Vorhaben durch viele verschiedene Menschen, Unternehmen oder auch Institutionen mit vergleichsweise eher kleinen finanziellen Einzelbeiträgen unterstützt.
Die Entwicklungsagentur testet Crowdfunding deshalb im kommunalen Bereich. Dafür arbeiten wir zusammen mit dem Gründungsbüro der Technischen Universität Kaiserslautern und der Hochschule Kaiserslautern, der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer sowie den Verbandsgemeinden Lauterecken-Wolfstein und Otterbach-Otterberg. Bei den Crowdfunding-Kampagnen ging es in Otterbach-Otterberg um die Aufstellung von zwei Solarkühlschränken entlang von Wanderwegen. In Lauterecken-Wolfstein wurde Geld gesammelt für einen Königsthron zusammen mit einer königlichen Tafel und für eine Murmelbahn an einem Ausflugspunkt. Beide Crowdfunding-Kampagnen waren erfolgreich.
Neben der Frage, was die Erfolgsfaktoren sind und was man bei solchen Crowdfunding-Kampagnen beachten muss, gibt es auch viele soziale und rechtliche Fragen. Zum Beispiel, ob diese niedrigschwellige Möglichkeit des Engagements Menschen motiviert, sich auch längerfristig zu engagieren.
Um auf diese Fragen möglichst konkrete Antworten zu finden, haben wir im Anschluss an die Kampagnen in den beiden Kommunen eine Onlinebefragung durchgeführt.
Zum Abschluss noch ein Blick auf zwei Projekte, die sich noch in frühen Phasen befinden.
Digitale Dörfer 3.0
Kommunalpolitisches Engagement ist in vielen Orten das Rückgrat des kommunalen Lebens. Die Herausforderungen gerade für ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder auch Ratsmitglieder steigen jedoch. Auf sie wirkt ein hoher Erwartungsdruck. Ein solches Engagement verlangt viel Zeit und Wissen. Die Entscheidungssituation in den Kommunen ist komplexer geworden.
Zum einen können Daten dabei helfen, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Gerade für ehrenamtlich geführte Kommunen ist aber die Beschaffung und Zusammenstellung der Daten ein zusätzlicher Aufwand. Aufbereitetes, datenbasiertes Wissen kann den Ehrenamtlichen in der Kommunalpolitik weiterhelfen.
Zum anderen kann der Austausch und die Zusammenarbeit mit weiteren Kommunen wertvoll sein, die vor ähnlichen Fragestellungen stehen. Aber wie findet man diese Gemeinden, wenn diese nicht gerade in der Nachbarschaft liegen?
Beides verknüpft das Projekt Digitale Dörfer 3.
Zusammen mit dem Statistischen Landesamt und dem Fraunhofer IESE entwickeln wir dazu eine digitale Datenplattform.
Wir haben Daten zu Kommunen im digitalen Tool zusammengestellt und graphisch aufbereitet.
Diese Daten nutzen wir, um hinsichtlich verschiedener Themen wie Demographie, soziales Leben oder Finanzen, Gemeindezwillinge zu finden – also Gemeinden, die sich hinsichtlich der Daten ähneln.
Ziel ist es, dass gerade ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einen Überblick über alle relevanten Daten ihrer Kommune zu einem Thema finden und erfahren, mit welcher Kommune sich ein Austausch zu diesem Thema besonders anbietet. So können Erfahrungen zu relevanten Lösungen oder Projektideen interkommunal ausgetauscht werden.
Vorstudie Makerspaces
Daneben beschäftigen wir uns aktuell mit dem Thema Makerspaces. Der Begriff Makerspace ist dabei in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen im Gebrauch. Wir verstehen darunter Orte der digitalen Teilhabe und Ankerpunkte des digitalen Wandels. Interessierte treffen sich dort, um mithilfe von 3D-Druckern, leistungsfähigen Computern, Elektronik und ähnlicher Technik digitale Projekte umzusetzen und auch den Umgang mit digitaler Technik zu lernen und zu lehren. Sie verbinden also gerade den Gedanken der Volksbildung mit dem sozialen Miteinander.
Für die Kommunalentwicklung gerade im ländlichen Raum stellen sich einige Fragen: Können Makerspaces in der Kommune als dritter Ort dienen, also als Aufenthaltsort neben der eigenen Wohnung und dem Arbeitsplatz? Wie müssen sie gestaltet sein, um als Ankerpunkt des digitalen Wandels zu fungieren? Können Sie eine Art Allmende des digitalen Zeitalters sein? Und: Gelingt es mit ihnen, den 50-jährigen Elektromeister aus seiner Kellerwerkstatt herauszuholen und mit dem 20-jährigen Informatikstudenten zu vernetzen?
Kurz gesagt: Welche Rolle können Makerspaces als Werkzeug für die digitale Transformation in Kommunen spielen?
Fazit und Ausblick
Die digitale Transformation stellt die Kommunen nicht nur in den Bereichen Arbeitswelt und E-Government vor große Herausforderungen, sondern gerade auch beim Zusammenleben in der Gemeinde oder der Stadt. Gleichzeitig bietet sie einige Chancen, das Leben in der Kommune zu vereinfachen und die Attraktivität der Kommune zu steigern.
Dafür ist ein vernetzter Ansatz von Aktivitäten zur Digitalisierung in der Verwaltung, von Bildungsangeboten zum Umgang mit digitaler Technik und digitalen Medien sowie von Smart-City- bzw. Smart-Region-Projekten notwendig. Die Entwicklungsagentur unterstützt mit ihren breitgefächerten Projekten Kommunen dabei, das nötige Know-how für die Gestaltung des digitalen Wandels zu entwickeln. Die Entwicklungsagentur testet und verbindet mehrere Projektansätze.
Wir möchten den kleineren Gemeinden in Rheinland-Pfalz ein funktionsfähiges und robustes „digitales Taschenmesser“ anbieten. Unser Taschenmesser sollte Lösungen bieten zu
- guter Arbeit im Dorf,
- moderner Technologie,
- passgenauer Kommunikation und
- moderner Personalentwicklung.
Der Austausch zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischem Einsatz ist dabei das Gerüst für diese Lösungen.