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Wie Bingen die Landesgartenschau nachhaltig genutzt hat

Für die Landesgartenschau 2008 wurde das gesamte Binger Rheinufer zwischen dem Autofähranleger im Osten und den ehemaligen Gleisanlagen in Bingerbrück im Westen der Stadt neu gestaltet. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)

Bingen ist das südliche Tor zum Welterbe Oberes Mittelrheintal und ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eine Kleinstadt mit Hilfe einer Großveranstaltung einen nachhaltigen Stadtentwicklungsprozess vollzogen hat.

Für die Landesgartenschau 2008 wurde das gesamte Binger Rheinufer zwischen dem Autofähranleger im Osten und den ehemaligen Gleisanlagen in Bingerbrück im Westen der Stadt neu gestaltet. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)
Für die Landesgartenschau 2008 wurde das gesamte Binger Rheinufer zwischen dem Autofähranleger im Osten und den ehemaligen Gleisanlagen in Bingerbrück im Westen der Stadt neu gestaltet. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)

2008 fand nach Kaiserslautern (2000) und Trier (2004) in Bingen die dritte rheinland-pfälzische Landesgartenschau (LaGa) statt. 2011 folgte eine Bundesgartenschau (BuGa) in Koblenz und 2015 eine weitere Landesgartenschau in Landau in der Pfalz. Für 2022 ist eine Landesgartenschau in Bad Neuenahr-Ahrweiler in Vorbereitung und mit der Ausrichtung der BuGa 2029 im Welterbe Oberes Mittelrheintal werden wichtige positive Impulse für die gesamte Region erwartet.
Grund genug für uns über das eigentliche Ereignis „Gartenschau“ hinaus zu blicken und nachzufragen, was geblieben ist von der Landesgartenschau 2008 in Bingen.

Kaimauern und gestaltprägende Elemente der ehemalige Hafenanlagen blieben erhalten. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)
Kaimauern und gestaltprägende Elemente der ehemalige Hafenanlagen blieben erhalten. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)

An sonnigen Tagen teilen sich heute Flaneure und Jogger die rund 1,7 Kilometer lange Rheinuferpromenade östlich der Nahemündung und tummeln sich Einheimische wie Besucher auf den weitläufigen Grünflächen, die sich westlich des Rhein-Nahe-Ecks zwischen Gleisanlagen, Rheinufer und Binger Loch mit dem Mäuseturm erstrecken. Die Wertschätzung des Areals kann nicht zuletzt der überdurchschnittlichen Qualität der öffentlichen Freianlagen zugeschrieben werden.

Der Bau der Uferpromenade und Parkanlagen mit neuen Wegeverbindungen und der größte Teil der angelegten Gärten wurden von Anfang an so geplant, dass sie auch über den Zeitraum der Großveranstaltung hinaus erhalten bleiben. So wurden Kosten gespart und ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet, denn nur wenige Elemente mussten zurückgebaut oder für die Nachnutzungen angepasst werden. Die Nutzungsvielfalt ist geblieben und das Gartenschaugelände dient weiter als Park, Kulisse, Open-Air-Bühne, Ort der Begegnung, Spielplatz, Jugendtreff, Museum, Galerie, „Kulturufer“ und vieles mehr – offen für alle und Aushängeschild einer Stadt, die seit 2008 von einem neuen Selbstbewusstsein beflügelt ist, was nicht zuletzt die vielen Folgeprojekte öffentlicher und privater Bauherren bezeugen.

Zentraler Bereich des Landesgartenschaugeländes am Rheinufer von Bingen: Neben dem nachweislichen Erfolg der gut besuchten Landesgartenschau 2008, die mit 1,3 Millionen Gästen die erwartete Zahl um mehr als das Doppelte übertraf, erfreut sich das rund 24 Hektar große Areal heute großer Beliebtheit. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)
Zentraler Bereich des Landesgartenschaugeländes am Rheinufer von Bingen: Neben dem nachweislichen Erfolg der gut besuchten Landesgartenschau 2008, die mit 1,3 Millionen Gästen die erwartete Zahl um mehr als das Doppelte übertraf, erfreut sich das rund 24 Hektar große Areal heute großer Beliebtheit. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)

Nachgefragt: Nachhaltigkeit von Landesgartenschauen

Vizepräsidentin der SGD Nord, Nicole Morsblech, im Interview mit der Autorin Andrea Schwappach. (Foto: Jonas Schwappach)
Vizepräsidentin der SGD Nord, Nicole Morsblech, im Interview mit der Autorin Andrea Schwappach. (Foto: Jonas Schwappach)

Während die alle zwei Jahre stattfindenden Bundesgartenschauen als nationale Kulturereignisse meist lange Planungszeiten und sehr hohe Investitionskosten mit sich bringen, die sich in der Regel nur große Städte oder Regionen leisten können, setzen Landesgartenschauen als Pendant regionale Schwerpunkte und Möglichkeiten der finanziellen Förderung kleinerer Städte auf Landesebene. Doch lohnen sich die Mühen und Investitionen und was bleibt nach vielen Jahren Planung und sechs intensiven Festivalmonaten? Wir fragen Nicole Morsblech, Vizepräsidentin der SGD Nord und Abteilungsleiterin für die Geschäftsstelle der Initiative Baukultur:

Was braucht eine Stadt oder Region, um eine Großveranstaltung wie eine Landesgartenschau auszurichten?

Morsblech: Eine Kommune muss sich den Herausforderungen der Planung, Umsetzung und Ausrichtung wie auch den Fragen der Nachnutzung des Veranstaltungsgeländes stellen: Es braucht Willen, fachliche Kompetenz und Visionskraft für eine langfristig angelegte und sozialverträgliche Stadtentwicklung. Das setzt die breite Unterstützung der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft voraus – also der Bewohner, Gewerbetreibenden und Entscheider, die sich aktiv einbringen.

Die Uferpromenade lässt Besucher den Panoramablick der romantischen Landschaft vom Binger Loch mit Mäuseturm, Ruine Ehrenfels und Rheingebirge bis zum Rheingau und Taunusgebirge erleben. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)
Die Uferpromenade lässt Besucher den Panoramablick der romantischen Landschaft vom Binger Loch mit Mäuseturm, Ruine Ehrenfels und Rheingebirge bis zum Rheingau und Taunusgebirge erleben. (Foto: Andrea und Jonas Schwappach)

Was ist geblieben von der LaGa 2008 und was hat sich für die Stadt Bingen verändert?

Morsblech: Dass sich die Stadt Bingen 1998 nicht etwa für den Umbau der Hafennutzung entschied, sondern mit der radikalen Neuordnung der Bahn- und Industrieflächen den nachhaltigen Strukturwandel vollzog, war weitsichtig, zukunftsweisend und hat Bingen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil gebracht: von Industrie und Warenumschlag zu Handel, Dienstleistung und Tourismus. Die hochwertigen Freizeit- und Grünflächen wie auch Kultur- und Gastronomieangebote geben wichtige Impulse für weitere Entwicklung der Stadt und Region.

Noch vor 20 Jahren prägten an gleicher Stelle Industrieanlagen und Hafennutzung das Bild. (Foto: SGD Nord)
Noch vor 20 Jahren prägten an gleicher Stelle Industrieanlagen und Hafennutzung das Bild. (Foto: SGD Nord)

Wo finden sich im Projekt die Ziele der Initiative Baukultur wieder?

Morsblech: Eine der wichtigsten Aufgaben der Initiative Baukultur ist es, gut gebaute Beispiele zu publizieren: als Vorbild und „Mutmacher“ für weitere Vorhaben. Die LaGa Bingen wurde als herausragendes Projekt im Rahmen des ersten Wettbewerbs Bau- und Gartenkultur prämiert und steht damit Pate für weitere engagierte Initiativen, die Antworten suchen auf Zukunftsthemen wie erneuerbare Energien und Klimawandel und gleichzeitig regionale Traditionen und ihre Bauten bewahren.