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Warum das Dorf digital werden muss

Das Giganetz im Haus und Big Apple im Vorgarten – ganz so schaut Digitalisierung in unseren Städten und Dörfern sicher nicht aus. In diesem Kapitel beleuchten wir, welche Bedeutung der digitale Wandel für die Entwicklung unserer Gemeinden hat.

  • Von ALOYSIUS SÖHNGEN, Vorsitzender des Gemeinde-
    und Städtebunds Rheinland-Pfalz und Bürgermeister
    der Verbandsgemeinde Prüm

Endlich Wochenende. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen zu Hause auf der Couch, haben die Füße hochgelegt und schauen gemütlich Fernsehen. Da geht der Fernseher kaputt. Alles ist schwarz. 

Ärgerlich – zweifelsohne. Aber um einen neuen zu kaufen, müssen Sie nicht einmal von der Couch aufstehen. Sie können einfach sitzenbleiben und online auf Ihrem Tablet Angebote durchforsten. Nur ein paar Klicks und der neue Fernseher ist bestellt. Sie bezahlen direkt, z. B. über Paypal oder im Onlinebanking. Der Moment, in dem Sie von der Couch aufstehen sollten, ist der, nachdem es an der Tür geklingelt hat. Dann ist der neue Fernseher nämlich da – nach vielleicht 24 Stunden und ein paar Klicks.

Solche digitalen Angebote und Serviceleistungen sind inzwischen für Kundinnen und Kunden selbstverständlich. Als Bürgerinnen und Bürger stellen Sie die gleichen Erwartungen an das Leben in Ihrer Kommune. Oftmals werden digitale Angebote und Serviceleistungen als Zeichen von Modernität und Fortschritt Ihrer Gemeinde gewertet. 

Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Wer mit wenigen Klicks nach 24 Stunden einen neuen Fernseher nach Hause geliefert bekommt, erwartet sicher auch, dass eine Online-Terminvereinbarung zur Entsorgung des defekten Fernsehers bei der Gemeinde möglich ist. 

Digitalisierung ist aus Sicht von Bürgerinnen und Bürgern aber weit mehr als E-Government. Sie betrifft das gesamte Leben. Digitalisierung erstreckt sich von einer aktuellen Gemeinde-Website über das öffentliche WLAN an der Bushaltestelle bis hin zu einem Online-Marktplatz.

Kommunen müssen den Wandel hin zu einer digitalen Gemeinde bewältigen, um für Bürgerinnen und Bürger attraktiv zu sein. Gerade für ländliche Gemeinden bietet Digitalisierung vielfältige Chancen. Digitale, bürgerorientierte Angebote – wie beispielsweise ein gemeindeeigener Coworking Space – können helfen, das eigene Profil zu schärfen und die Kommune als lebenswerten Standort nachhaltig zu sichern.

Der Fernsehkauf ist nur ein Beispiel, das zeigt, dass die mit der Digitalisierung verbundenen Vorteile keiner leeren Zukunftsvision entspringen. Sie sind bereits Realität.

Im Folgenden finden Sie eine Zusammenstellung von Fakten, die den digitalen Wandel in unserer Gesellschaft und in den Kommunen beschreiben.

Das Internet ist eine Selbstverständlichkeit und kein Neuland

Wenn sich ein Bürgermeister fragt, wie er am besten die Bürgerinnen und Bürger erreichen kann, dann lautet die Antwort heute: online. Eine aktuelle Gemeinde-Website ist also der erste Schritt. 

Denn …

9 von 10 Menschen in Deutschland sind online. Die Anzahl der Menschen, die das Internet nutzen, ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. 2008 waren es 7 von 10.

7 von 10 sind täglich online. Die meisten Menschen sind täglich online. Auch hier ist die Zahl in den letzten zehn Jahren gestiegen.

Über 3 Stunden am Tag verbringen die Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland durchschnittlich im Internet.

8 von 10 nutzen ihr Smartphone. Die Gemeinde-Website sollte nicht nur aktuell sein, sie sollte vor allem auch auf dem kleinen Bildschirm des Smartphones lesbar dargestellt werden.

Das Internet wird nämlich vor allem mobil genutzt. 8 von 10 Internetnutzern gehen mit ihrem Smartphone online. Auf Platz zwei liegt das Surfen mit dem Laptop oder dem PC und auf Platz 3 das Tablet.

Der erste Schritt zum digitalen Dorf ist eine Digitalstrategie

Kommunale Digitalisierung ist mehr als nur E-Government. Um den digitalen Wandel zu meistern, bedarf es einer umfassenden Digitalstrategie. Diese umfasst alle kommunalen Handlungsfelder, wie Bildung und Jugendpflege, Wirtschaft, Arbeit und Kultur.

Viele Kommunen haben sich aber noch nicht strategisch mit dem Thema Digitalisierung befasst.

Nur gut 50 % der befragten Kommunen haben eine eigene Digitalstrategie.

Nicht einmal 1 von 10 setzt derzeit Maßnahmen ihrer Digitalstrategie um. Das führt dazu, dass das Thema Digitalisierung in vielen Kommunen gar nicht oder nur sehr langsam vorankommt. Der Stand der Digitalisierung wird von der Mehrheit der befragten Kommunen entsprechend auch als niedrig eingeschätzt.

Nur 1 von 10 Kommunen bewertet ihren Stand der Digitalisierung als „gut“. Die Zeichen der Zeit wurden aber zumindest von den meisten erkannt: Der Mehrwert, den die Digitalisierung für Bürgerinnen und Bürger bringt, wird von den meisten befragten Kommunen als „hoch“ bis „sehr hoch“ eingeschätzt (9 von 10 Kommunen).

Das Potenzial der Digitalisierung

Gerade für ländliche Kommunen bietet die Digitalisierung das Potenzial, sich gegenüber größeren Städten auch als lebenswerte Orte zu positionieren. Die große Mehrheit der befragten Mitgliedsunternehmen des Verbands kommunaler Unternehmen sieht in der Digitalisierung das Potenzial, die Attraktivität des ländlichen Raumes als Wohn- und Arbeitsort zu erhöhen.

Das klingt recht vage und allgemein und soll deshalb an einem Beispiel veranschaulicht werden: Auf dem Land lässt es sich sehr gut leben. Ein Manko jedoch sind die Wege – Pendlerwege zur Arbeit, die Fahrt zum Arzt, der Weg zum Einkaufen und viele mehr.

Durch die Digitalisierung werden Informationen von überall zu jeder Zeit abrufbar.

Betrachten wir mal das Beispiel der Pendlerwege zur Arbeit: Je nach Beruf können Sie im Büro arbeiten, von zu Hause aus oder im Coworking Space. Sie sind nicht an einen Ort gebunden, denn auf Ihre digitalen Arbeitsunterlagen können Sie von überall zugreifen. Dadurch sind Sie nicht gezwungen, jeden Tag ins Büro zu pendeln. Wegstrecken verlieren an Bedeutung.

Das Leben auf dem Land gewinnt an Attraktivität.

Die Digitalisierung bietet insbesondere ländlichen Kommunen das Potenzial, für Bürgerinnen und Bürger lebenswerter zu werden. Warum das Dorf also digital werden muss? Weil die Bürgerinnen und Bürger es schon sind und es auch von ihrer Heimat erwarten. Nachfolgend fünf Tipps, die Ihnen helfen sollen, den Weg zum digitalen Dorf zu meistern.

Tipps für Kommunen

  1. Digitalisierung ist Chefinnen- oder Chefsache. Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister einer Kommune muss die Sache selbst in die Hand nehmen und vorantreiben.
  2. Gehen Sie das Thema strategisch an. Erarbeiten Sie eine Digitalstrategie für Ihre Gemeinde, die Ziele und Maßnahmen in sämtlichen kommunalen Handlungsfeldern über einen Zeitraum von zwei Jahren definiert. Das hilft Ihnen, Prioritäten zu setzen. Die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e. V.
    bietet „Digital-Werkstätten“ dazu an.
  3. Vernetzen Sie sich. Es gibt viele gute Beispiele aus anderen Kommunen. Arbeiten Sie mit diesen zusammen. Tauschen Sie sich aus, nutzen Sie die Erfahrungen, die andernorts schon gemacht wurden. Die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain hat zum Beispiel ihr „Digitales Arbeitspapier“ veröffentlicht. Es lohnt sich, unter www.bg-aktuell.de einen Blick in das Papier zu werfen.
  4. Suchen Sie Verbündete. Nutzen Sie das Potenzial, das im Ort schon wohnt. Ob Bäcker oder Kfz-Werkstatt – alle arbeiten digital. Holen Sie diese Expertinnen und Experten ins Boot.
  5. Fangen Sie klein an. Suchen Sie sich für den Anfang ein kleines Projekt aus, das Sie schnell umsetzen können. Das sorgt für erste, motivierende Erfolge und Erfahrungen. Darauf können Sie aufbauen und weitere Projekte Ihrer kommunalen Digitalstrategie umsetzen.

Wie der Volksmund sagt: Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung – oder hier passender – zur Weiterentwicklung.

„So möchte ich abschließend anmerken, dass auch die Verbandsgemeinde Prüm noch in den ‚Kinderschuhen‘ steckt, was die Digitalisierung betrifft. Aber wir sind mit einem entsprechenden Team dabei, diese neuen Aufgaben anzupacken und Schritt für Schritt den Erfordernissen der neuen Zeit anzupassen.“

Aloysius Söhngen