Winnweiler (Nordpfalz) – Zunehmende Starkregenereignisse, plötzlich auftretende lokale Unwetter, schnell ansteigende Bäche. Das sind einige der Herausforderungen, die mit dem Klimawandel auf die Feuerwehren im ländlichen Raum zukommen. In der Verbandsgemeinde Winnweiler in der Nordpfalz wird deshalb ein Sensornetzwerk aufgebaut. Künftig sollen die Feuerwehrleute frühzeitig alarmiert werden, wenn es lokal zu Starkregen oder Überschwemmungen kommt.
Eine Plattform zur Überwachung von Stromnetzen als Basis
Derzeit befindet sich das Sensornetz in der Verbandsgemeinde Winnweiler noch im Aufbau. Grundlage hierfür ist die Plattform IoTista der Pfalzwerke Netz-AG. Die Plattform wurde eigentlich als sogenannte IoT-Lösung (Internet of Things) für Netzbetreiber wie Stadtwerke und Energieversorger entwickelt.
Sensoren wie Stromzähler, Füllstandsmesser, Druckmesser in Gasnetzen, aber auch Bewegungsmelder in Gebäuden sind dort über ein Netzwerk verbunden und liefern ihre Daten zum Beispiel an eine Leitstelle. Dort können die Daten dann gesammelt und ausgewertet werden – ohne manuelles Ablesen oder Kontrollieren und in Echtzeit.
Dabei kommt die Funktechnologie LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) zum Einsatz. Diese Technik verbraucht wenig Energie und hat eine große Reichweite, bietet aber eine geringere Bandbreite. Sie eignet sich besonders für die Vernetzung von Sensoren, die weit voneinander entfernt sind.
In der Verbandsgemeinde Winnweiler werden zukünftig insgesamt 12 Pegelsensoren, Regensensoren und Wetterstationen mit IoTista vernetzt und liefern ihre Daten an die Feuerwehr.
Beschreibung des Projektes
Trotz Vorhersagen und Warnungen der Wetterdienste und einer hohen Sensibilität für Hochwasser und Starkregen hat sich bereits 2018 gezeigt, dass gerade sehr lokale Starkregenereignisse mit den bisherigen Mitteln nur schwer beherrschbar sind. In jenem Jahr kam es in der Nacht am Rande der Verbandsgemeinde Winnweiler ohne konkrete Vorwarnung zu einer Superzelle mit Starkregen.
In der Folge gab es Überschwemmungen in den angrenzenden Ortschaften.
Aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen den ersten Meldungen und den ersten Schäden war es den Feuerwehren nicht mehr möglich, “vor der Welle” zu sein und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Auch wenn das damalige Ereignis vergleichsweise glimpflich ausging, zeigte es doch die Notwendigkeit einer engmaschigeren Erfassung und zentralen Auswertung von Niederschlägen und Pegelständen.
Als Wehrleiter Christian Füllert dann durch eine Infomail der Pfalzwerke Netz-AG auf deren Sensorplattform IoTista aufmerksam wurde, war die Idee eines lokalen Starkregenerfassungsnetzwerks geboren. Nach einer Sondierung des Marktes nach alternativen Anbietern entschied man sich aufgrund des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses und der bisherigen guten Erfahrungen mit dem Anbieter für das Angebot der Pfalzwerke Netz-AG. Die Kosten für die Einführung des Systems belaufen sich auf ca. 10.000 Euro.
Derzeit wird das System getestet. So sammeln die Sensoren bereits Daten, die auf einer Online-Plattform eingesehen und ausgewertet werden können. Zunächst sollen jedoch Erfahrungen gesammelt werden, bevor das System vollständig in die Alarmierungsketten der Feuerwehren integriert wird.
Wie funktioniert es?
Das Pegelnetz besteht derzeit aus drei Pegeln entlang des zentralen Flusses der Verbandsgemeinde, der Alsenz. Diese sind an Brücken angebracht und messen den Wasserstand mittels Ultraschall.
Daneben gibt es 6 Regensensoren, die hauptsächlich an den Rändern der Verbandsgemeinde stehen und 3 Wetterstationen, bestehend aus Wind-, Temperatur- und Niederschlagssensoren an neuralgischen Punkten.
Wichtig bei der Auswahl der Standorte waren die Erfahrungen aus der Vergangenheit: Während “normale” Unwetter meist aus südwestlicher Richtung über die Verbandsgemeinde ziehen, kommen Superzellen und Starkregenereignisse meist aus östlicher Richtung.
Einblick in die Planung zum Sensor-Netzwerk: Die Pegelmesser wurden an den wichtigen Gewässern in der Verbandsgemeinde angebracht. Die Regensensoren sollen insbesondere am Rand der Verbandsgemeinde wichtige Daten liefern, um so frühzeitig informiert zu sein, bevor Überschwemmungen dahinterliegende Orte erreichen. Ergänzt wird das Ganze durch drei Wetterstationen an neuralgischen Punkten. (Quelle: Feuerwehr VG Winnweiler)
Derzeit laufen die Daten bei der Wehrleitung zusammen und müssen manuell ausgewertet werden. Dazu werden sie auf einer Online-Plattform grafisch dargestellt. Auf Basis dieser Daten und der bisherigen Erfahrungen kann die Wehrleitung dann die weiteren Maßnahmen planen. In Zukunft sollen auch entsprechende Alarmierungen über das System erfolgen, z.B. an die Feuerwehr oder über KATWARN. Zunächst werden jedoch Erfahrungen mit dem System gesammelt und entsprechende Alarmierungsschwellen für die Sensordaten festgelegt.
Was hat sich durch das Projekt geändert?
Valide Daten zur Früherkennung von lokalen Starkregenereignissen lagen bisher nicht vor. Die nächste Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes befindet sich in ca. 10 km Entfernung in der benachbarten Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land.
Die Vorhersagen und Regenkarten des Wetterdienstes müssen daher mit Hilfe von Erfahrungswerten auf lokale Ereignisse und Gefahren heruntergebrochen werden.
Mit den neuen Sensoren stehen nun erstmals entsprechende kleinräumige Daten in Echtzeit zur Verfügung. So kann schneller auf lokal begrenzte Ereignisse reagiert werden.
Gleichzeitig werden die Daten gespeichert. Die Vision ist, durch die Kombination der selbst gesammelten Daten mit den Informationen des Deutschen Wetterdienstes eines Tages auch Vorhersagen treffen zu können. “Optimal wäre es, wenn wir irgendwann Aussagen treffen könnten wie: Der Deutsche Wetterdienst sagt für unsere Region eine ganz bestimmte Wetterkonstellation voraus. Aufgrund unserer Daten wissen wir, dass es genau bei dieser Konstellation an diesen Stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Überschwemmungen kommen wird”, sagt Wehrleiter Christian Füllert. Entsprechend frühzeitig und gezielt könnten dann Schutzmaßnahmen eingeleitet werden.
So wurde es gemacht
Ziel
Die Sensorplattform soll in der Verbandsgemeinde Winnweiler als zusätzliches “Auge und Ohr” bei akuter Unwettergefahr dienen. Sie ergänzt damit die regionalen Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes, die bisherigen Erfahrungswerte und die Beobachtungen vor Ort.
Gerade sehr lokale Ereignisse, wie z.B. Starkregenereignisse am Rande der Verbandsgemeinde, sollen so frühzeitig erkannt werden.
Vorgehen
Auslöser für das Projekt war eine Infomail der Pfalzwerke Netz-AG, in der die Sensorplattform IoTista vorgestellt wurde. Wehrleiter Christian Füllert sah in einer solchen Sensorplattform einen Ansatzpunkt, um die Unwetterlagen in der Verbandsgemeinde Winnweiler auch kleinräumig besser überwachen zu können.
Zunächst wurde anhand von Erfahrungswerten ermittelt, in welchen Bereichen welche Sensoren sinnvoll sind, um bei Unwettern einen möglichst guten Überblick zu haben. Letztendlich entschied man sich für drei Pegel an der Alsenz, dem größten Gewässer der Verbandsgemeinde, sechs Regensensoren an neuralgischen Punkten am Rande des Verbandsgemeindegebietes und drei Wetterstationen mit Wind-, Temperatur- und Niederschlagsmesser.
Neben Gesprächen mit der Pfalzwerke Netz-AG wurde eine Marktrecherche durchgeführt. Das Angebot der Pfalzwerke beinhaltete neben den Sensoren auch die gebündelte Erfassung der Daten über LoRaWAN und deren Darstellung über eine Online-Plattform. Alternative Angebote waren nicht günstiger oder boten nicht den gleichen Umfang. So wäre der Einkauf der Einzelkomponenten über andere Anbieter zwar günstiger gewesen, die Einrichtung und Installation des Gesamtsystems hätte dann aber komplett bei der Kommune gelegen. Deshalb entschied man sich für das Angebot der Pfalzwerke Netz-AG. Zudem versprach dieses System einen guten Support, da die Pfalzwerke als Netzbetreiber das gleiche System einsetzen.
Einblick auf die Datenplattform zu einem Pegelsensor: Der Stand des Gewässers ist gerade besonders hoch (linke Anzeige). In der Mitte sieht man die aktuelle Temperatur. Und rechts erfährt man, dass die Batterie des Sensors noch voll geladen ist.
Für die Pegelmessstellen an öffentlichen Brücken mussten entsprechende Vereinbarungen mit dem Landesbetrieb Mobilität getroffen werden. Die Anbringung der weiteren Sensoren an öffentlichen Gebäuden war dagegen unkompliziert.
Anschließend erfolgte die konkrete Einrichtung der Plattform und der Alarmierungsgruppen.
Aufwand
Die Kosten für die Installation des Systems und der Sensoren beliefen sich auf ca. 10.000 Euro. Hinzu kommen geringe jährliche Kosten für die Nutzung der Plattform. Die Wartung der Sensoren wird im laufenden Betrieb erfolgen. Da aber wartungsarme Modelle gewählt wurden, rechnet die Verbandsgemeinde hier mit wenig Aufwand.
Verantwortliche
Die Koordination lag beim Wehrleiter der Feuerwehr. Die Installation der Sensoren erfolgte durch Angehörige der Feuerwehr.
Die technische Betreuung sowie der Netzaufbau erfolgten durch die Pfalzwerke Netz-AG als Plattformanbieter.
Erfolgsfaktoren
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Projektes war der konstruktive und enge Austausch mit dem Anbieter. Es war wichtig, genau zu klären, was die Sensoren können sollen, was sie können und was nicht, um Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Außerdem musste geklärt werden, wer das Ganze überwacht. Hier entschied man sich dafür, dass sowohl die Wehrleitung, der Bauhof als auch die Umweltabteilung Zugriff auf die Plattform haben. So haben alle betroffenen Stellen einen Überblick.
Wichtig ist auch, dass die Auswertung der Daten nicht im “luftleeren Raum” erfolgt, sondern mit den bisherigen Erfahrungen verknüpft wird, um entsprechende Warnschwellen festzulegen. Außerdem muss das Ganze regelmäßig evaluiert werden.
Stolpersteine
Für die Anbringung der Sensoren an den Brücken mussten zunächst rechtliche Fragen mit dem Landesbetrieb Mobilität geklärt werden. Dies konnte jedoch innerhalb weniger Tage geklärt werden.
Ebenso hatte die Pfalzwerke Netz-AG zunächst Bedenken wegen möglicher Regressansprüche, da die Plattform dafür eigentlich nicht gedacht und ausgelegt ist. Auch dies konnte in Gesprächen geklärt werden.
Ansprechpartner
Sollten Sie Fragen zum Projekt haben, können Sie sich an folgenden Ansprechpartner wenden:
Verbandsgemeinde Winnweiler
Wehrleiter
Christian Füllert
Tel: 06302 – 5040
E-Mail: fuellertc@winnweiler-vg.de
Für die Redaktion des Digital-Newsletters ist die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e. V. verantwortlich.
Der “Digital-Newsletter” wird unterstützt von: