Die „Herzlich digitale Stadt Kaiserslautern“ ist 2017 durch den bundesweiten Wettbewerb „Digitale Stadt“ des BITKOM-Verbandes und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes entstanden. Als eine der fünf besten Städte zog Kaiserslautern in die Finalrunde ein.
Text:
DR. KLAUS WEICHEL, Oberbürgermeister der Stadt Kaiserslautern
PROF. DR. DR. H. C. DIETER ROMBACH, Chief Digital Officer der Stadt Kaiserslautern
DR. MARTIN VERLAGE, Geschäftsführer KL.digital GmbH
Die „Herzlich digitale Stadt Kaiserslautern“ ist die Antwort aus Kaiserslautern auf die Digitalisierung. „Herzlich Digital“ ist der Oberbegriff, unter dem sämtliche digitalen Projekte der Stadt Kaiserslautern initiiert und gesammelt werden. Die Projekte decken ganz verschiedene Bereiche des städtischen Lebens und damit alle Handlungsfelder der Kommune ab: Bildung, Handel, IT-Infrastruktur, Umwelt und Energie, Gesundheitswesen, Verkehr, Sicherheit, Kultur und Verwaltung. Die Projekte sind sehr breit gefächert in Bezug auf Themen, Realisierungsgeschwindigkeit und Dauer. Sie reichen von WLAN auf städtischen Events, (teil-)autonomes Fahren, ein smartes Beleuchtungskonzept und eine Shopping-Plattform über den Bürgertresor bis hin zu Virtual Reality im Tourismus oder einem zentralen Schulnetz.
Alle Projekte eint, dass die Digitalisierung das alltägliche Leben vereinfachen und den Menschen Zeit und Komfort schenken soll. Technische Systeme sollen nicht zum Selbstzweck entwickelt werden. Die Bedürfnisse der Menschen stehen im Mittelpunkt aller Projekte. Die Steigerung der Lebensqualität für alle Generationen ist dabei die wichtigste Säule. Das ist unser herzlich digitaler Weg.
Kaiserslautern gehört zu den fünf größten Städten in Rheinland-Pfalz. Es mag daher auf den ersten Blick etwas verwundern, dass „Herzlich Digital“ in der Reihe „#landleben“ erscheint. Dafür gibt es aber gute Gründe: Die Bedürfnisse der Menschen und damit auch die inhaltliche Ausrichtung digitaler Projekte unterscheiden sich zwar zwischen Stadt und Land. Alle Kommunen verbindet jedoch eines – sie müssen den digitalen Wandel gestalten. Dafür müssen trotz unterschiedlicher Ausgangssituationen ähnliche strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Die Erfahrungen, die in Kaiserslautern bisher gesammelt wurden, können daher für Städte und für ländliche Gemeinden nützlich sein.
Zudem gibt es eine Reihe rheinland-pfälzischer Kommunen, die auch Hochschulstandorte sind: Remagen, Bingen, Birkenfeld, Worms, Zweibrücken, Landau – um nur einige zu nennen. Vom Wissenstransfer der Hochschulen in die Kommunen können auch sie profitieren. Dies ist zum Beispiel ein Erfolgsfaktor unseres Projekts.
Im Folgenden wird auf die weiteren Erfolgsfaktoren des Projekts eingegangen. Die bereits sichtbaren Ergebnisse der Projekte werden erläutert sowie geplante Projekte beschrieben. Einen detaillierteren Blick werfen wir auch auf die Strukturen und Schnittstellen und wie wir die Bevölkerung in der herzlich digitalen Stadt einbeziehen.
Digitalisierung mit Sinn, Verstand und Herz
Digitalisierung ist Trend. Ob Bund, Länder oder Kommunen – alle wollen den Weg in eine digitale Zukunft – und sie wollen ihn bevorzugt schnell und möglichst viel davon.
Natürlich möchte Kaiserslautern diesen Weg auch beschreiten und hat ein klares Bild davon, wo er entlangführt: „Wir können Digitalisierung, wir wollen sie und wir machen sie. Aber – nicht um jeden Preis. Sondern mit Sinn, Verstand und Herz.“ Allerdings nicht um der Digitalisierung willen, sondern weil Prozesse und Lebensbedingungen angenehmer und einfacher gestaltet werden sollen. Deshalb stehen die Menschen stets im Fokus aller Überlegungen, Konzepte und Projekte. In einem „Dialog Zivilgesellschaft“ werden aktiv Bevölkerungsgruppen eingebunden. Das Motto „Herzlich Digital“ mögen die Menschen, weil sie sich angesprochen und mitgenommen fühlen.
Ein Vorteil: Kaiserslautern hat den Weg nicht erst seit dem Einzug ins Wettbewerbsfinale des BITKOM-Wettbewerbs beschritten, sondern schon viele Jahre geeignete Voraussetzungen und Rahmenbedingungen dafür geschaffen, eine digitale Stadt zu werden. Mit der geeigneten Wissenschaft und Forschung sowie digitalen Unternehmen im Rücken, gebündelt in der Science & Innovation Alliance Kaiserslautern, ist die Ausgangslage ideal. Aber dies ist kein absolutes Muss für eine Kommune, um lohnenswerte digitale Projekte umzusetzen. Es ist aber ideal dafür, um Digitales auszuprobieren. Was dann getestet und für gut befunden wird, bringt eine leichtere Übertragbarkeit auf andere Kommunen mit sich. Eine Wissenschaftslandschaft und ein IT-Cluster wie in Kaiserslautern sind nicht nötig, nachdem sich Projekte erst bewährt haben.
WIR KÖNNEN DIGITALISIERUNG, WIR WOLLEN SIE UND WIR MACHEN SIE. ABER – NICHT UM JEDEN PREIS. SONDERN MIT SINN, VERSTAND UND HERZ.
Menschen auf dem Weg in die digitale Zukunft mitnehmen
Eine wichtige und unabdingbare Voraussetzung hingegen ist der Rückhalt in der Bevölkerung und der Dialog mit ihr. Hintergrund ist, dass Digitalisierung Veränderung bedeutet und Veränderungen Menschen zunächst einmal Unbehagen bereiten.
Diesem Unbehagen möchten wir begegnen. Durch Kommunikation, durch Transparenz. Wir informieren die Bevölkerung über die Presse, über unsere Social-Media-Kanäle, über Veranstaltungen für jedermann, über Fachtreffen, aber auch über die geschaffenen Strukturen, über publikumsnahe Projekte, bei denen es sichtbare Ergebnisse gibt – und wir auch tatsächlich greifbar und ansprechbar sind. So sind Möglichkeiten gegeben, die Menschen mitzunehmen, ihre Sorgen ernst zu nehmen und auf diese Weise auch neue Bedürfnisse wahrzunehmen, die wiederum berücksichtigt werden in Projektplanungen, in Arbeitsgruppen und bei Veranstaltungen.
Wir wollen nicht Digitalisierung um jeden Preis, sondern mit und für die Menschen. Denn ohne positiv eingestellte Bürgerinnen und Bürger ist der Weg unmöglich oder zumindest zäh und nicht so effektiv, wie er sein könnte. Innerhalb eines Projektes können wir Reaktionen der Bevölkerung abfragen und bei der Einführung neuer Technologien reagieren. So werden Ideen, wie etwa das Handy-Parken, in den sozialen Netzwerken vorgestellt. Die Kommentare helfen, die Öffentlichkeitsarbeit bei der offiziellen Vorstellung auf die Haltung in der Bevölkerung einzustellen.
Digitalisierung sichtbar machen und passende Strukturen schaffen
Die Digitalisierung verlangt neue Strukturen, diese haben wir durch die Unterstützung der Landesregierung geschaffen.
Wir haben nach dem Wettbewerb schnell reagiert, um den Aufwind zu nutzen. Die neue städtische KL.digital GmbH nahm am 1. Januar 2018 ihre Arbeit auf. Sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich darum, dass Projekte umgesetzt werden, dass sich Arbeitsgruppen treffen, dass Digitales wahrgenommen wird. Vor allem ist sie auch Kommunikator für die Bevölkerung. „Herzlich digital“, damit kann jede Bürgerin und jeder Bürger in Kaiserslautern mittlerweile etwas verbinden.
Erreichbarkeit und Sichtbarkeit liegen uns am Herzen. Das Büro der KL.digital GmbH befindet sich am Hauptbahnhof. Große Fenster bieten Einblick. Ein KL.digital Bus fährt durch die Stadt. Die Social-Media-Kanäle haben Zehntausende Klicks auf ihre Postings. Eine Webseite, Newsletter, Einbeziehung und Information der Fraktionen, Medienberichterstattung machen verständlich, welche Projekte gerade an welchem Punkt sind.
Weitere Strukturen wurden geschaffen. Der Chief Digital Officer (CDO) ist ein wichtiges Bindeglied zur Verwaltung und Gesellschaft. Gemeinsam mit dem Chief Urban Officer (CUO) – in dieser Kombination in Deutschland einmalig – unterstützt er die Kommune ehrenamtlich. Ein Steuerkreis, zusammengesetzt aus Oberbürgermeister, CDO, CUO, der KL.digital GmbH sowie Vertretern aus Wissenschaft und Forschung, koordiniert die Aktivitäten. Ein Beirat unterstützt die KL.digital GmbH. Eine Roadmap und das Leitbild, abgestimmt mit allen Gremien und verabschiedet im Stadtrat, führt zu den formulierten Zielen. Diese Strukturen wurden mit Unterstützung des Ministeriums des Innern und für Sport geschaffen.
„HERZLICH DIGITAL“, DAMIT KANN JEDE BÜRGERIN UND JEDER BÜRGER IN KAISERSLAUTERN ETWAS VERBINDEN.
Schnelle, sichtbare Erfolge erzeugen
In Themenfeldern wie Bildung, Handel, Umwelt, Energie, Verkehr, Sicherheit, Kultur haben wir bereits in der Wettbewerbsphase digitale Projekte identifiziert, weitere entstehen auch, weil die Gelegenheiten sich ergeben.
Die Bevölkerung schätzt schnelle, sichtbare Erfolge. So gab es auf Maßnahmen wie Handy-Parken (bezahlen per App statt am Automaten), digitaler Kitaplaner (statt telefonieren und Kitas anschreiben), freies WLAN auf städtischen Events oder auch auf den Ausweisroboter (statt sich anzustellen, um einen Ausweis zu beantragen) sehr positive Rückmeldungen. Langfristige Maßnahmen (wie etwa (teil-)autonomes Fahren oder ein zentrales Schulnetz) sind den Menschen zwar durchaus wichtig, sie liegen aber noch in weiterer Zukunft. Deshalb ist es gerade für kleinere Kommunen denkbar, einfach zu realisierende und bereits erprobte Projekte zu übernehmen.
Die gebildeten Arbeitsgruppen sind nicht nur Experten-runden, in denen bereits begonnene Projekte weiterentwickelt werden und Abstimmung stattfindet, sondern hier entstehen auch Ideen für neue Projekte. Sie sind ebenfalls Indikator für Bedürfnisse der Bevölkerung. Die Arbeitsgruppen sind heterogen zusammengesetzt und daher gut geeignet, um Bedürfnisse verschiedener Generationen und aus unterschiedlichen Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur, Bildung usw. darzustellen. Das sind viele Chancen, die sich eine Kommune mit diesen Strukturen selbst ermöglicht. Riskant sind Projekte, die unsere Stadt erstmalig erprobt, die langfristig sind, die hohe Investitionen bedürfen. Ein Austausch zwischen Kommunen ist hier wichtig und wertvoll.
DAS SIND VIELE CHANCEN, DIE SICH EINE KOMMUNE MIT DIESEN STRUKTUREN SELBST ERMÖGLICHT.
Digitalisierung vor Ort mit den Menschen stattfinden lassen
Wie erreicht man Bevölkerungsgruppen, die digitale Kanäle nicht nutzen können oder wollen, wie etwa ältere Menschen, bildungsferne Schichten, generell Menschen ohne Zugang zu digitalen Themen?
Mit offenen Veranstaltungen, die sich bestimmten Ängsten in Bezug auf digitale Transformation widmen, haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Bürgerinnen und Bürger können sich nicht nur informieren, Klarheit gewinnen und Unsicherheiten abbauen, sie können sich auch aktiv beteiligen, kommen mit Experten ins Gespräch, lernen neue Interaktionsformen kennen. Die Veranstaltung „Beruf X.0“ hat sich das zum Thema gemacht und sich mit genau diesen Veränderungen und den Unsicherheiten der Menschen beschäftigt. Genauso wichtig ist es auch, die Branche und Fachleute miteinander zu vernetzen und kontinuierlich im Gespräch zu halten. Dies sorgt für Synergien, neue Projekte und Ideen. Beides erscheint uns als optimaler Nährboden, damit der Weg in eine digitale Zukunft gemeinsam und mit unterschiedlichstem Wissensstand, Verständnis, Alter, Bedürfnis, Aktivitätspotenzial beschritten werden kann.
BÜRGERINNEN UND BÜRGER KÖNNEN SICH NICHT NUR INFORMIEREN, KLARHEIT GEWINNEN UND UNSICHERHEITEN ABBAUEN …
Warum KL.digital erfolgreich ist
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von „Herzlich Digital“ sind die starken Kompetenzen im Bereich von Hochschulen, Instituten und Hightech-Firmen und deren erfolgreiche Vernetzung in dem Projekt.
Auch andere Kommunen können vom Wissenstransfer der Hochschulen in die Orte profitieren. Weitere Erfolgsfaktoren des Projekts sind für alle Kommunen – egal ob Hochschulstandort, städtisch oder ländlich – ausschlaggebend:
Neu geschaffene Strukturen
Neben einem Chief Digital Officer (CDO) wurde ein bisher deutschlandweit einmaliger Chief Urban Officer (CUO) installiert und die KL.digital GmbH gegründet. Wie die Digitalisierung den öffentlichen Raum beeinflusst und welche Maßnahmen eine Stadt daraus ableiten sollte, sind Aufgaben des CUO. Für kleine Kommunen ist dieser Umfang kaum leistbar, aber auch für sie ist als Erfolgsfaktor wichtig, dass es eine Stelle in der Kommune geben muss, die das Thema Digitalisierung vorantreibt.
Die KL.digital GmbH fungiert in Kaiserslautern als Digitalisierungsbeschleuniger. Sie widmet sich der Initiierung, Weiterführung und Umsetzung der digitalen Projekte, bringt die digitale Szene zusammen und sorgt für die Außendarstellung. Auch dies ist in ein Erfolgsfaktor, der für jede Kommune ausschlaggebend ist: Die digitalen Köpfe müssen an einen Tisch gebracht werden, um so die Kommune zu unterstützen.
Die politische Unterstützung
Kaiserslautern legt großen Wert auf das herzlich digitale Leitbild10 und hat damit auch auf politischer Ebene große Zustimmung erfahren, sowohl lokal als auch regional. Der Stadtrat steht hinter dem Programm ebenso wie die Lan-desregierung, welche Kaiserslautern als digitale Modell-stadt ausbauen will.11 Beste Rahmenbedingungen waren und sind daher vorhanden.
Die Unterstützung von der Lauterer Bevölkerung
Von allen Finalisten des Wettbewerbs „Digitale Stadt“ standen die Bürgerinnen und Bürger Kaiserslauterns am sichtbarsten hinter der Bewerbung. Digital werden bedeutet zwar zuerst Zusatzaufwand, letzten Endes aber Vereinfachung und Zeitersparnis. Die Menschen schätzen das und spiegeln dies in den sozialen Medien und bei Gesprächen wider.