Simmern (Hunsrück) – Carsharing, also das flexible Buchen und Nutzen von Autos, ist in Städten weit verbreitet. Im ländlichen Raum sind solche Konzepte eher die Ausnahme. Viele haben ein eigenes Auto und nehmen dafür hohe Kraftstoffpreise in Kauf. Im Rhein-Hunsrück-Kreis allerdings gehören E-Dorfmobile nun fest in den Alltag der Menschen und sind nicht mehr wegzudenken. Das Pilotprojekt des Kreises in Zusammenarbeit mit der Energieagentur Rheinland-Pfalz, der Firma Regiomobil und einem Autoflottenanbieter war so erfolgreich, dass sogar andere Kreise das Konzept nun aufgreifen und eigene Dorfautos anbieten.
Elektromobilität und Carsharing als dörfliche Zukunftstechnologie
Im ländlichen Raum ist es ohne Auto kaum möglich von A nach B zu kommen. Deswegen ist es für viele Menschen unvorstellbar, auf das eigene Auto zu verzichten. Sei es der Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, bei der Freizeitgestaltung, im Hobby-Bereich oder auch zu Ärzten – nur wenige Strecken können adäquat mit dem ÖPNV, Fahrrad oder zu Fuß überwunden werden. Viele Haushalte besitzen zwei oder mehr Autos, um die individuelle Mobilität zu organisieren. Laut Umweltbundesamt stehen die meisten Automobile aber trotzdem ca. 23 Stunden am Tag ungenutzt herum.
Gleichzeitig stellt sich für viele Haushalte in Zeiten steigender Kraftstoffpreise die Frage, inwieweit Elektromobilität für sie auch im ländlichen Raum eine Alternative zum klassischen Benziner oder Dieselfahrzeug sein kann.
Die E-Dorfautos im Rhein-Hunsrück-Kreis haben diese Mobilitätslücken ein Stück weit geschlossen und den Menschen vor Ort Gelegenheit gegeben, E-Mobilität niedrigschwellig zu testen.
Beschreibung des Projektes
Im Dezember 2019 startete das Projektmodell “Dorfautos” vor Ort. Je 12 Monate lang erhielten sieben Gemeinden eines von sieben E-Dorfautos. Nach 12 Monaten wurden die E-Dorfautos in andere Gemeinden verlegt. Das Modellprojekt lief insgesamt über drei Jahre. Die sieben E-Dorfautos wurden vom Rhein-Hunsrück-Kreis für diese Zeit geleast. Die Nachfrage war so groß, dass die Verbandsgemeinde Simmern ein achtes Auto zur Verfügung stellte.
Eines der E-Dorfautos. Durch die Beklebung machten die Fahrzeuge zusätzlich Werbung für das Projekt. (Foto: Werner Dupuis)
Ziel des Modellprojekts war es den Einwohnerinnen und Einwohnern Gelegenheit zu geben, Elektroautos kennen zu lernen und im Alltag zu nutzen. Die Autos wurden kostenlos zur Verfügung gestellt, was die Nutzung natürlich besonders interessant machte. Dadurch sollten auch Carsharing-Konzepte und die damit verbundenen Abläufe in den Köpfen der Menschen verankert werden.
Die jährlichen Leasingkosten waren überschaubar. Die ersten beiden Jahre übernahm der Landkreis die Leasingkosten. Im dritten Jahr teilten sich die teilnehmenden Kommunen die Kosten in Höhe von 8.000 €. In den Dörfern gibt es geschulte “Kümmerer”, die sich um die Ausgabe von Schlüsselchips und die Autos kümmern. Außerdem stehen sie den Nutzerinnen und Nutzer bei Fragen zur Verfügung.
Wie funktioniert es?
Um ein E-Dorfauto auszuleihen, meldet man sich im zugehörigen Buchungsportal von Regiomobil an. Registrierte Nutzer erhalten einen Schlüsselchip, der auf den Führerschein geklebt wird, bzw. eine Schlüsselkarte. Über ein Online-Portal erhalten die Nutzer einen Überblick darüber, wann welches Fahrzeug zur Verfügung steht. Die Fahrzeuge können dort dann auch gebucht werden.
Die Autos lassen sich nur zur gebuchten Zeit mit dem eigenen Schlüsselchip öffnen. Der Nutzer hält dazu seinen Schlüsselchip an ein Lesegerät am Auto selbst. Anschließend findet er den eigentlichen Autoschlüssel zum Anlassen des Autos und eine Tankkarte im Handschuhfach. Nutzer finden online auch ein Benutzerhandbuch, das den ganzen Vorgang erklärt.
Über die dreijährige Projektdauer hinweg wurden die acht Dorfautos über 10.300mal bewegt. Insgesamt wurden mit ihnen knapp 527.000 km gefahren. Die durchschnittliche Fahrstrecke betrug 51 km je Buchung. Die Autos wurden im Durchschnitt 1,23mal am Tag gebucht. Das zeigt, dass Carsharing-Konzepte auch im ländlichen Raum funktionieren.
Der Rhein-Hunsrück-Kreis will die Dorfautos zu einer festen Einrichtung werden lassen. Die Stadt Boppard und weitere Gemeinden im Kreis haben bereits Interesse an der Weiterführung gezeigt. Aktuell sind sechs E-Dorfautos geplant. Problematisch ist dabei die lange Lieferzeit von derzeit rund 1,5 Jahren für neue E-Fahrzeuge. Daher wird hier Schritt für Schritt vorgegangen. Zum Beispiel stehen in der Gemeinde Büchenbeuren seit Dezember 2023 bereits zwei Dorfautos zur Buchung zur Verfügung.
Was hat sich durch das Projekt geändert?
Die Verantwortlichen ziehen eine sehr positive Bilanz:
Die Zahl der Zulassungen von E-Autos ist stark gestiegen. Im Zeitraum von Dezember 2019 bis Projektende hat sich die Zahl der Elektroautos im Kreis verachtfacht. Viele Nutzerinnen und Nutzer berichteten auch, dass sie selbst ein E-Auto anschaffen wollen oder werden. Das Interesse an der Elektromobilität ist also gestiegen.
Auch die Akzeptanz von Carsharing-Konzepten ist gestiegen. Beide Konzepte – Carsharing und Elektromobilität – konnten in den Alltag der Nutzerinnen und Nutzer integriert werden. Insgesamt wird der Umgang mit der Ressource “Auto” als bewusster empfunden.
Dies konnte erreicht werden, ohne dass es zu einer neuen Mobilitätslücke kam. Im Gegenteil: Zum Teil konnten durch die Bereitstellung eines gemeinsamen Dorfautos sogar Lücken im Nahverkehr geschlossen werden.
So wurde es gemacht
Ziel
Das Ziel des Projekts “Dorfautos” im Rhein-Hunsrück-Kreis war es, die Mobilität in ländlichen Regionen zu verbessern und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Durch die Bereitstellung von Elektrofahrzeugen als Gemeinschaftsgut sollte die Nutzung des privaten Pkw reduziert und die Akzeptanz für Elektromobilität gesteigert werden.
Vorgehen
Um dieses Ziel zu erreichen, leaste der Kreis zunächst sieben Elektroautos von einem Autoflottenanbieter. Diese wurden zunächst in sieben Gemeinden des Rhein-Hunsrück-Kreises als sogenannte “Dorfautos” stationiert. Dort standen sie jeweils für 12 Monate zur Buchung zur Verfügung. Danach wurden sie in andere Orte im Kreis verlegt, um die Dorfautos so möglichst vielen Menschen ortsnah anbieten zu können. Im weiteren Verlauf schaffte die Stadt Boppard aufgrund der großen Nachfrage ein achtes Auto an.
Die Fahrzeuge konnten von den Einwohnerinnen und Einwohnern flexibel über den Anbieter Regiomobil gebucht und genutzt werden. Jede Gemeinde stellte einen „Kümmerer“ zur Verfügung, der sich als örtlicher Ansprechpartner für Fragen der Nutzer bereitstand, Schlüssel-Chips ausgab und das Auto regelmäßig kontrollierte.
Begleitend dazu wurden Informationsveranstaltungen und Schulungen durchgeführt, um die Menschen für die Vorteile des Carsharings und der Elektromobilität zu sensibilisieren.
Aufwand
Die Umsetzung des Projekts erforderte einen erheblichen organisatorischen Aufwand. Neben der Beschaffung der Fahrzeuge mussten Buchungssysteme eingerichtet, Schulungen durchgeführt und eine Infrastruktur für das Laden der Elektroautos geschaffen werden. Zudem waren regelmäßige Wartungsarbeiten und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit notwendig.
Die Kosten für das Leasing betrugen ca. 8.000 Euro im Jahr.
Verantwortliche
Für die Planung und Umsetzung des Projekts waren der Rhein-Hunsrück-Kreis, die Energieagentur Rheinland-Pfalz und ein Autoflottenanbieter verantwortlich. Die Gemeinden vor Ort unterstützten das Projekt durch die Bereitstellung von Stellplätzen und die Benennung von Ansprechpartnern.
Die Buchungsplattform und die Zugangssoftware wurden von einem professionellen Anbieter übernommen.
Erfolgsfaktoren
Der Erfolg des Projekts ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen hat die einfache Handhabung der Buchung und Nutzung der Dorfautos zu einer hohen Akzeptanz bei den Einwohnerinnen und Einwohnern geführt. Zum anderen hat die kostenlose Nutzung in der Pilotphase die Hemmschwellen für viele Menschen abgebaut. Zudem hat die intensive Öffentlichkeitsarbeit dazu beigetragen, das Projekt bekannt zu machen und für das Thema Elektromobilität zu sensibilisieren.
Stolpersteine
Trotz des großen Erfolgs waren auch einige Herausforderungen zu meistern. So mussten technische Probleme bei der Ladeinfrastruktur behoben werden. Zudem gab es anfangs einige Bedenken hinsichtlich der Reichweite der Elektrofahrzeuge, die jedoch durch die positiven Erfahrungen der Nutzerinnen und Nutzer ausgeräumt werden konnten. Auch die langen Lieferzeiten für Elektrofahrzeuge stellen eine Herausforderung für den Fortbestand des Projektes dar.
Ansprechpartner
Sollten Sie Fragen zum Projekt haben, können Sie sich an folgenden Ansprechpartner wenden:
Frank-Michael Uhle
Klimaschutzmanager des Rhein-Hunsrück-Kreises
Tel: 06761/82-611
E-Mail: fm.uhle@rheinhunsrueck.de
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