Ockenheim (Rheinhessen) – Das wöchentliche Amtsblatt wird oft nicht gelesen. Die regionale Zeitung erreicht nicht alle Haushalte. Und die Internetseite der Gemeinde wird nur selten besucht. Wie kann man die Menschen vor Ort schnell über Aktuelles informieren? In Ockenheim wurde zu diesem Zweck eine App entwickelt. Mit der Ockenheim-App erhalten die Nutzerinnen und Nutzer wichtige Informationen zum Ortsgeschehen, Terminhinweise und Neuigkeiten aus den örtlichen Vereinen.
Nichts Passendes auf dem Markt – also wurde selbst entwickelt
Das rheinhessische Ockenheim mit seinen rund 2.800 Einwohnern stand vor zwei Jahren vor einer großen Chance, aber auch vor einer großen Herausforderung. Ein Glasfaseranbieter bot an, Ockenheim an das Netz anzuschließen, wenn genügend Haushalte Interesse bekunden würden. Da Ockenheim mit normalem Breitband gut versorgt ist, boten die üblichen Förderprogramme für so genannte weiße Flecken keine Alternative. Die Werbetrommel musste also gerührt werden, aber wie? Die COVID-Pandemie hatte gezeigt, dass Amtsblatt und Co. nicht regelmäßig gelesen werden oder einfach zu umständlich und langsam sind.
Also machte man sich auf die Suche nach einer Online-Plattform, um alle Einwohnerinnen und Einwohner schnell über aktuelle Themen informieren zu können. Die Plattform sollte ohne Anmeldung funktionieren. Vereine sollten unkompliziert Informationen und Termine veröffentlichen können. Es sollte keine Diskussionsplattform sein, also keine Kommentarfunktion oder ähnliches bieten, sondern in erster Linie der Information dienen.
Auf dem Markt war damals nichts Passendes zu finden. Also wurde kurzerhand selbst entwickelt.
Beschreibung des Projektes
Nach einer erfolglosen Marktrecherche kam der Durchbruch sozusagen am Küchentisch: „Ich programmiere einfach eine App, so wie wir uns die vorstellen“, sagte der damalige Oberstufenschüler Christian Maidhof. In Zusammenarbeit mit ihm wurde dann die Ockenheim-App genau nach den Bedürfnissen der Gemeinde entwickelt. Neben Informationen aus dem Gemeinderat und offiziellen Nachrichten der Gemeinde sollten Beiträge von Vereinen und Initiativen im Vordergrund stehen. Auch sollte es sich ganz klar um eine Informationsplattform handeln.
Nachdem eine erste lauffähige Version vorlag, wurde diese zunächst im kleinen Kreis getestet. Die Vereine wurden frühzeitig informiert und eingebunden, um sich einerseits die zukünftigen „Redakteure“ zu sichern und sie andererseits als Multiplikatoren zu gewinnen. Darüber hinaus wurden die Vereine intensiv in der Nutzung der App und im Verfassen publikumswirksamer Artikel geschult.
Die Einführung der App wurde durch eine umfangreiche Öffentlichkeitskampagne begleitet. Gleichzeitig begannen die Vereine, die App als Publikationskanal zu nutzen. Die Beiträge der lokalen Initiativen und Vereine sorgen für eine hohe Aktualität und Attraktivität der App.
Mittlerweile ist die App fester Bestandteil des Dorflebens. Damit das so bleibt, gründete Christian Maidhof MeinDorfNet, seine eigene Firma. Die App im jeweils eigenen Dorf-Design kann nun auch von anderen Gemeinden bestellt werden. Gleichzeitig verteilen sich so Betriebs- und Weiterentwicklungskosten auf mehrere Schultern.
Wie funktioniert das?
Die Ockenheim-App kann kostenlos im PlayStore oder App Store heruntergeladen werden. Zusätzlich gibt es eine Web-Version. Nur aus Sicht der Gemeinde fallen monatliche Gebühren für die Plattform an.
Auf der Startseite der App finden die Nutzerinnen und Nutzer alle Beiträge, zum Beispiel die Protokolle des Gemeinderats, Veranstaltungshinweise der Vereine oder wichtige Informationen der Feuerwehr. Jeder Beitrag enthält ein Kontaktformular, um direkt mit dem Autor in Kontakt zu treten. Auf die Möglichkeit des Likens und Kommentierens wurde bewusst verzichtet.
Die Nutzerinnen und Nutzer haben außerdem die Möglichkeit, die Kanäle bestimmter lokaler Vereine und Initiativen zu abonnieren. Sie erhalten dann Push-Nachrichten, wenn es Neuigkeiten gibt. Mittlerweile sind alle lokalen Vereine vertreten. Außerdem bietet die App einen Veranstaltungskalender und eine Funktion, um Schäden zu melden.
Über ein Internetportal oder eine Redakteurs-App können Vereine und andere freigeschaltete Aktive ihre Beiträge schnell einstellen. Über einen iFrame-Service, ein WordPress-Plugin oder die REST-API können Vereine und die Gemeinde die Inhalte aus der App auch automatisch auf ihren Webseiten ausspielen.
Den Verantwortlichen war es wichtig, möglichst wenig Nutzerdaten zu verarbeiten. Die Plattform verzichtet komplett auf Dienste wie Google Analytics oder Google Maps. Selbst die Abo-Funktion ist so gestaltet, dass es weder den Entwicklern noch der Gemeinde möglich ist, auf Benutzerinteressen zu schließen.
Zwei Einblicke in die App: Links ist der normale Hauptbildschirm mit den aktuellsten Beiträgen. Diese Übersicht findet man auch unter dem Menüpunkt „News“. Rechts sieht man den Veranstaltungskalender, der unter „Events“ erreichbar ist. Mit dem Menüpunkt „Meins“, jeweils unten in der Leiste, kommt man zu den eigenen Abonnements und unter „Mehr“ findet man unter anderem den Schadensmelder.
Was hat sich durch das Projekt geändert?
Die Reichweite der Meldungen hat sich deutlich verbessert. Die App verzeichnet rund 1.400 Downloads bei 2.800 Einwohnern im Ort. Diese große Reichweite hat Vorteile: Die Gerüchteküche im Dorf ist laut den Verantwortlichen zurückgegangen. Auch der Klärungsbedarf in Einzelgesprächen, zum Beispiel nach Entscheidungen im Rat oder in Ausschüssen, hat abgenommen. Schöner Nebeneffekt: Die Suche nach Wahlhelferinnen und Wahlhelfern für die Kommunal- und Europawahl 2024 konnte durch einen Beitrag in der App sehr schnell abgeschlossen werden.
Durch die hohe Anzahl an Beiträgen – 15 bis 20 pro Woche – schauen die Nutzerinnen und Nutzer sehr regelmäßig in die App. Kommunale Informationen erreichen regelmäßig über 600 Aufrufe.
Der Pflegeaufwand für das App-Team hält sich in Grenzen. Die Ockenheimer Vereine stellen ihre Veranstaltungen und Beiträge selbst ein. So verteilt sich die Redaktionsarbeit auf viele Schultern. Besonders erfreulich: Die Vereine und ihre Aktivitäten sind durch die App-News so präsent im Ort, dass auch viele Neubürgerinnen und Neubürger den Weg ins Vereinsleben und in die kommunale Ehrenamtsarbeit gefunden haben.
So wurde es gemacht
Ziel
Die Gemeinde benötigte eine Online-Plattform, um ihre Bürgerinnen und Bürger schnell über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Konkreter Anlass war die Bewerbung des Glasfaserausbaus. Die Plattform sollte auch den örtlichen Vereinen und Initiativen zur Verfügung stehen. Es sollte ein reiner Informationskanal sein. Auch der Datenschutz sollte höchsten Ansprüchen genügen. Die üblichen Social-Media-Plattformen kamen daher nicht in Frage.
Vorgehen
Zunächst wurde eine Marktrecherche durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt, 2022, gab es keine verfügbare Plattform, die alle Anforderungen erfüllte. Die Plattform sollte so einfach sein, dass auch ehrenamtliche Vereinsmitglieder Beiträge schreiben und veröffentlichen können. Denn ohne örtliche Aktive, kann ein solches Netzwerk nicht funktionieren. So entstand eine Win-Win-Situation: Die Gemeinde informiert über ihre Inhalte und profitiert von der Reichweite der Vereine und umgekehrt. Die Autoren der Beiträge sollten über die Plattform einfach kontaktiert werden können, aber nicht in Form von sichtbaren Kommentaren oder Likes.
Die Lösung fand sich direkt vor Ort: Der damalige Schüler aus Ockenheim Christian Maidhof übernahm das Projekt.
Erste Versionen der so entstandenen Ockenheim-App wurden im kleinen Kreis getestet. Anschließend wurden die Vereine einbezogen. Dabei wurden die Möglichkeiten der Plattform als einfacher Publikationskanal für lokale Initiativen und Vereine intensiv beworben.
Die verantwortlichen Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertreter wurden anschließend sowohl im technischen Umgang mit der Plattform als auch im Verfassen von ansprechenden Beiträgen geschult.
Mittlerweile hat Christian Maidhof das Unternehmen MeinDorfNet gegründet, um die App zu betreuen, weiterzuentwickeln und auch anderen Gemeinden anbieten zu können.
Aufwand
Die App ist für Nutzer, Vereine und Initiativen kostenlos. Die Gemeinde trägt die monatlichen Kosten für den technischen Support und die Bereitstellung.
Verantwortliche
Christian Maidhof und sein Unternehmen MeinDorfNet sind für die technische Betreuung verantwortlich.
Die Vereine veröffentlichen die Beiträge selbstverantwortlich. Der Bürgermeister hat als eine Art Administrator die Möglichkeit, bei problematischen Beiträgen einzugreifen. Das war aber bisher noch nie nötig.
Erfolgsfaktoren
Christian Maidhof wohnt selbst in Ockenheim und engagiert sich dort ehrenamtlich. Sein Unternehmen MeinDorfNet hat dort seinen Sitz. Dadurch konnte eine sehr zielgruppengerechte und niederschwellige App entwickelt werden. Dazu trug auch die enge Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung bei.
Wichtig waren die enge Einbindung und Schulung der Vereine und Initiativen. Diese fungieren als regelmäßige Redakteure und beleben so die App. Gleichzeitig sind Multiplikatoren vor allem für ihre Mitglieder und erhöhen so die Nutzerzahlen. So fand die Ockenheimer App bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine breite Zustimmung bei den ehrenamtlich Aktiven. Auch die App im eigenen Design der Gemeinde ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Projekt. Für die Ockenheimer ist klar: Das ist unsere Ockenheim-App!
Stolpersteine
Im Laufe der Entwicklung stellte sich die Frage, ob auch gewerbliche oder politische Akteure in der Gemeinde als Redakteure auftreten könnten. Einerseits hätte dies die lokale Wirtschaft und den politischen Diskurs fördern können. Andererseits hätte sich dadurch der Fokus der App verschoben. In Ockenheim hat man sich dagegen entschieden.
Eine Herausforderung war es, die Vereine als Redakteure für die App zu gewinnen. Schließlich sollten diese die App hauptsächlich „bespielen“. Hier halfen neben Werbung und persönlichen Gesprächen vor allem Schulungen zur Erstellung ansprechender Beiträge, Hemmschwellen abzubauen.
Ansprechpartner
Sollten Sie Fragen zum Projekt haben, können Sie sich an folgenden Ansprechpartner wenden:
Ortsgemeinde Ockenheim
Bürgermeister
Arnold Müller
Tel: 06725 2442
E-Mail: muellerarnold@ockenheim.de
Für die Redaktion des Digital-Newsletters ist die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e. V. verantwortlich.
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