Betzdorf (Westerwald) – “Ein analoger Ankerpunkt im digitalen Dorf”, so lässt sich das Konzept des DigiJubs in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain treffend beschreiben. In einem ehemaligen Bekleidungsgeschäft arbeiten ehrenamtlich Engagierte und Mitarbeitende der Verwaltung an digitalen Zukunftsprojekten. Das Besondere ist die Kooperation mit der Jugendpflege, die mit in das Gebäude eingezogen ist. Hier treffen sich Jung und Alt. zwischen Sitzsäcken und Schreibtischen geht es um das Aufbauspiel Minecraft, um 3D-Drucker oder um pragmatische Ideen für die Verbandsgemeinde.
Foto: Digitale Dörfer | Jennifer Braun
DigiJub: Das Digitallabor der VG Betzdorf-Gebhardshain
Die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain (2017 aus den Verbandsgemeinden Betzdorf und Gebhardshain fusioniert) hat sich früh auf den Weg gemacht, die Digitalisierung in die sehr ländlich geprägte Region zu bringen. Neben digitalen Bürgerservices wollte die Verbandsgemeinde aber noch einen weiteren Aspekt mitdenken: nämlich das Miteinander im digitalen Zeitalter.
Als Modellkommune konnte die Verbandsgemeinde über das Landesprojekt “Digitale Dörfer” bereits einige Maßnahmen umsetzen. So wurden dort die Anwendungen „DorfFunk“ und „DorfNews“ getestet und als Kommunikationskanäle zur Verwaltung und für weitere Dienstleistungen etabliert. Die Einwohnerinnen der Verbandsgemeinde wurden so näher zusammengebracht.
Das “DigiJub” ist ein Ort, an dem das Analoge auf das Digitale trifft und Menschen, die sich vielleicht nur im DorfFunk-Chat begegnen, sich auch persönlich treffen können.
Eine große Herausforderung bei der Digitalisierung der Verwaltung ist es, den Bürgern den Nutzen von digitalen Dienstleistungen und Angeboten zu vermitteln. Insbesondere gestaltet es sich schwierig, das Vertrauen der Bürgerinnen zu stärken, wenn es um die Kompetenz der Verwaltung im digitalen Bereich geht. Mit den vielfältigen Angeboten im DigiJub kann genau das geleistet werden.
Beschreibung des Projektes
Das DigiJub ist eine Kooperation des Digitalbüros der Verbandsgemeinde und der mobilen Jugendhilfe. Beide waren auf der Suche nach Räumlichkeiten. Sie wollten ihre Arbeit stärker für die Bürger öffnen, suchten aber auch niederschwellig zugängliche Räume für eigene Angebote. Im DigiJub gibt es neben praktischer Alltagshilfe bei technischen Fragen auch die Möglichkeit, digitale Geräte auszuprobieren, den Umgang damit zu lernen und damit zu arbeiten. Es gibt eine VR-Brille, einen 3D-Drucker und andere Geräte, die den Umgang mit digitalen Medien, Techniken und Kompetenzen fördern. Auch die Jugendhilfe bietet Formate an, die auch auf die Angebote des Digitalbüros zurückgreifen.
So bauten Jugendliche im Computerspiel Minecraft Betzdorf im Jahr 2030 und stellten das mit dem 3D-Drucker erstellte Modell dem Stadtrat vor. Sie entwickelten neue Ideen für ihre Stadt und schlugen Maßnahmen vor, die Betzdorf lebenswerter machen könnten, zum Beispiel eine Seilbahn, um Mobilitätsprobleme zu lösen.
Darüber hinaus kooperiert das DigiJub mit Schulen und Kindertagesstätten. Es gibt zum Beispiel Informationsveranstaltungen zu Datenschutz und Datensicherheit, Smarthome oder eHealth. Auch die örtliche Volkshochschule ist mit Tablet-Kursen für Senioren eingebunden. Vereine wie das örtliche DRK (Deutsches Rotes Kreuz) und die DJK (Deutsche Jugendkraft) treffen sich im Raum. Ebenso bieten der Weiße Ring, die Polizei und die Verbraucherzentrale regelmäßige Termine an. Auch die örtliche Ukrainehilfe organisiert sich im DigiJub.
Das DigiJub hat sich über die Jahre zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebharsdshain entwickelt. Denn Digitalisierung soll immer den Menschen dienen. Das DigiJub gibt den Einwohnerinnen die Gelegenheit, diese auch zu gestalten.
Wie funktioniert es?
Seit 2015 nimmt die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain als eine von zu Beginn drei Testregionen am Projekt „Digitale Dörfer“ teil. Das Projekt des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz und des Fraunhofer-Institutes für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern entwickelt und erprobt digitale Lösungen für den ländlichen Raum. Inzwischen ist daraus das Netzwerk “Digitale Dörfer” entstanden. In Betzdorf-Gebhardshain stand die Schaffung eines neuen „Wir-Gefühls“ durch digitale Anwendungen im Mittelpunkt.
Aus diesem Projekt heraus entstand die Idee für den DigiJub. Durch die gemeinsame Konzeption als Jugendraum und Digitallabor konnten die Räumlichkeiten auch im knappen Haushalt der Verbandsgemeinde berücksichtigt werden. So gibt es eine enge Verbindung zur Jugend und man kann die jüngeren Einwohner an die Heimat binden und ihnen gemeinsame Erlebnisse verschaffen. Im DigiJub treffen sich verschiedene Gruppen, hier können Veranstaltungen stattfinden, Ideen ausgetauscht oder konkrete Projekte entwickelt werden. Dabei ist es der Verwaltung sehr wichtig, dass jeder willkommen ist und hier einen Platz findet, und sei es nur, um seinen Kaffee mal nicht alleine zu trinken.
Das DigiJub in Betzdorf ist der Ankerpunkt für die Digitalisierung in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain. Hier können Interessierte digitale Technik ausprobieren oder erhalten Hilfe bei Fragen zu digitalen Anwendungen. (Foto: Digitale Dörfer | Jennifer Braun)
Was hat sich durch das Projekt geändert?
Digitale Geräte und Anwendungen können im DigiJub getestet bzw. installiert werden. Die Herausforderungen digitaler Lösungen können so schnell und einfach gemeistert werden. Das DigiJub ist zu einem beliebten Treffpunkt geworden, der Menschen aus der Region zusammenbringt. Gemeinsam mit der Ehrenamtsinitiative konnten viele Veranstaltungen hier einen Raum finden. Die Räume für Vereine sind fast immer ausgebucht. Dienstleistungen wie beispielsweise der Glasfaserausbau in Trägerschaft der Verbandsgemeinde haben im DigiJub eine informelle Servicestelle gefunden.
So wurde es gemacht
Ziel
Die Verbandsgemeinde suchte einen Ort, um den Bürgerinnen ihre Arbeit im Projekt “Digitale Dörfer” niederschwellig zu präsentieren. Zudem sollten zentral zugängliche Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, in denen Angebote und Formate für ein digitales Miteinander durchgeführt und weiterentwickelt werden können. So sollte die digitale Entwicklung der Verbandsgemeinde nachhaltig unterstützt und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden.
Vorgehen
Das DigiJub entstand aus einer Kooperation des Digitalteams rund um die “Digitalen Dörfer” und der lokalen Jugendpflege. Durch eine gemeinsame Anmietung konnten die Kosten erheblich gesenkt werden. Das Nutzungskonzept wurde von Mitarbeitern der Verbandsgemeinde entwickelt und wird kontinuierlich weiterentwickelt und überprüft.
Das Konzept wird regelmäßig mit der Verwaltungsspitze abgestimmt und die Projekte einmal jährlich im Rat vorgestellt. Anpassungen ergeben sich vor allem durch die Nachfrage der Bürger oder neue Angebote durch die “Digitalen Dörfer”.
Um den Raum in der Bevölkerung bekannt zu machen, wurde von Anfang an viel Wert auf Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Dazu wurde das Konzept in allen Ortsgemeinderäten vorgestellt, aktive Pressearbeit betrieben, verschiedene Facebook- und Instagram-Accounts bespielt, regelmäßig im Mitteilungsblatt informiert und durch Plakate im Schaufenster des zentral gelegenen DigiJubs selbst beworben. Auch punktuelle Ideen wurden umgesetzt, wie z.B. Graffiti auf Stromkästen, die in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe realisiert wurden.
Aufwand
Für den Raum musste kein Personal eingestellt werden. Zwei Mitarbeitende der Verbandsgemeinde arbeiten ständig vor Ort, um den Raum möglichst immer offen zu halten. Die Raumkosten wurden weitestgehend aus dem Jugendhilfeetat gedeckt. Durch den teilweise hohen Leerstand in Betzdorf sind die Mietkosten überschaubar.
Viele Anschaffungen konnten über das Projekt “Digitale Dörfer” abgewickelt werden. Häufig werden Angebote aber auch über den allgemeinen Haushalt der Verbandsgemeinde finanziert.
Die Abstimmung über die Raumnutzung und neue Angebote oder Formate erfolgt intern im Rahmen des allgemeinen Geschäftsbetriebes.
Verantwortliche
Die Trägerschaft liegt bei der Verbandsgemeinde, die das DigiJub über das Projekt “Digitale Dörfer” organisiert und betreibt. Das Team besteht aus einer Vollzeitkraft und einer anteilig im Team arbeitenden Vollzeitkraft. Hinzu kommt die Vollzeitstelle für aufsuchende Jugendarbeit der Jugendpflege.
Erfolgsfaktoren
Zu Beginn war vor allem eine intensive Öffentlichkeitsarbeit wichtig, um den Raum und die Angebote bekannt zu machen. Neben der gesteuerten Kommunikation war hier vor allem die Mundpropaganda wichtig, um schnell mehr Menschen in den Raum und zu den Angeboten zu bringen.
Das Team musste ein offenes Auge auf die eigenen Angebote haben und entscheiden können, Formate je nach Nachfrage einzustellen oder zu erweitern. Hierfür war die Rückendeckung durch die Verwaltungsspitze besonders wichtig, um im Trial-and-Error-Verfahren schnell die richtigen Formate zu finden.
Die Synergieeffekte durch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt brachten nicht nur neue Ideen in das Konzept, sondern auch eine wichtige Zielgruppe, die von Anfang an eng an die Angebote gebunden war.
Auch die Kommunikation innerhalb der Verwaltung erwies sich als wichtiger Erfolgsfaktor. Durch die externe Ansiedlung des Teams konnten mögliche Reibungsverluste frühzeitig durch Mitnehmen und Einbinden reduziert werden.
Stolpersteine
Bei der Erstellung des Konzeptes fehlten Vorbilder, was den Prozess in die Länge zog. Eine Orientierung an anderen Verwaltungen war nur sehr eingeschränkt möglich.
In Betzdorf fehlte zu Beginn eine organisierte Zivilgesellschaft, die ein solches Projekt unterstützt. Diese wurde erst später durch die Einbindung der Vereinsarbeit und die Unterbringung zivilgesellschaftlicher Initiativen geschaffen.
Es war ein glücklicher Zufall, dass die Finanzierung der Räumlichkeiten durch die Kooperation mit dem Jugendamt gesichert war. Ansonsten hätten in einer kleinen Verbandsgemeinde zusätzliche Haushaltsmittel aufgebracht werden müssen.
Ansprechpartner*innen
Sollten Sie Fragen zum Projekt haben, können Sie sich an folgenden Ansprechpartner*innen wenden:
Sarah Brühl
Projektteam Digitale Dörfer/Betzdorf digital
Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain
Fachbereich “Zentrale Dienste”
Telefon: 02741 291-124
E-Mail: betzdorf.digital@vg-bg.de
Sascha Hensel
Projektteam Digitale Dörfer/Betzdorf digital
Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain
Fachbereich “Zentrale Dienste”
Telefon: 02741 291-125
E-Mail: betzdorf.digital@vg-bg.de
Für die Redaktion des Digital-Newsletters ist die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e. V. verantwortlich.
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